Ablass Loskauf von irdischen Sünden

Die Praxis entstammte bereits dem frühen Mittelalter, doch es ist nicht falsch zu behaupten, dass die kirchliche Bußpraxis in ihrer exzessiven Form gewissermaßen einer der „Sargnägel“ des Mittelalters war. Vor allem im 15. Jahrhundert trieb der Ablasshandel, um die kirchlichen - und hier vor allem die päpstlichen – Einnahmen zu erhöhen, geradezu unglaubliche Blüten, so dass die finanziellen Aspekte der Ablassgewährung immer mehr in den Vordergrund rückten. Aus dieser Situation zog Martin Luther seine schärfsten Argumente, als er 1517 die Reformation lostrat.

Ein Ablass war ein Ersatz für so genannte Bußwerke (siehe Buße), etwa die Beichte. Geld und Almosenspenden waren zunächst übliche Varianten des Ablasses. Seit dem 11. Jahrhundert gab es die Möglichkeit, durch gemeinnützige Werke (zum Beispiel den Bau einer Kirche) einen Nachlass – also den „Ablass“ – zeitlicher Sündenstrafen zu erlangen. Die mittelalterliche Scholastik, besonders Thomas von Aquino (1225/26-1274) entwickelte eine Lehre, wonach die katholische Kirche – mit dem Papst an der Spitze – einen buchstäblich unendlichen Schatz von Verdiensten (thesaurus ecclesiae) besitzt, der sich aus den Werken Christi und aller Heiligen speist. Dem Papst allein oblag jedoch die Verteilung dieser himmlischen Gnade gegen irdische Gegenleistungen. Die Kirchenoberen wandten riesige Mittel auf, um ihrerseits in den Genuss zu kommen, Ablässe zu gewähren. So entwickelte sich ein regelrechtes Geschäft, vergleichbar dem Konkurrenzkampf um Pfründe und Titel.

Eine geradezu unmenschliche Dimension entwickelte der Sündenerlass für Kreuzfahrer. Zum Beispiel die Albigenserkriege zwischen 1209 und 1229 in Südfrankreich (Kreuzzug gegen die Katharer). Schon Zeitgenossen empfanden diese Kämpfe des rauhen Nordens gegen das schon fast orientalisch geprägte Languedoc als besonders grausam. Papst Innozenz billigte den Kreuzzug. Der Ablass war vergleichsweise billig zu haben – eine Teilnahme von vierzig Tagen genügte. Den Kreuzfahrern blieb gar die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer erspart, das ihre Gefährten erwartete, die zum Heiligen Land strebten.

Aus ähnlichem Anlass ist das Ablassgeschäft überhaupt erst so richtig ins Rollen gekommen. Die Reconquista in Spanien empfahl Papst Alexander II. 1063 sogar allen Christen in Westeuropa. Seither genossen die spanischen Könige einen unerschöpflichen Strom vor allem von französischen und italienischen Rittern, die gegen die Mauren auf der iberischen Halbinsel kämpfen wollten. Einem spanischen Heer gewährte Alexander 1064 einen vollkommenen Sündenablass. Dieses ist eines der frühesten Zeugnisse für die Ablasspraxis.

Literatur: Wilhelm Volkert; Adel bis Zunft, Ein Lexikon des Mittelalters; C.H.Beck,; München; 1991;
Hrsg.: Reinhard Elze und Konrad Repgen; Studienbuch Geschichte, Band I; Klett-Cotta; Stuttgart; 1994

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