Adel Machtvolle Grundherren

Der Adel verstand sich als eine von Geburt her privilegierte Gruppe, die mit einem Vorrecht zur Herrschaft über andere ausgestattet war. Im mittelalterlichen Staat spielte der Adel als Stütze der königlichen Macht auf Grund seiner Treuepflicht der Krone gegenüber eine wesentliche Rolle. Denn es gab keine, das gesamte Reich umfassende, Verwaltungsorganisation. Könige und Kaiser mussten also auf den Adel Zurückgreifen und ihm bestimmte Machtbefugnisse übereignen. Auf Besitz und Macht über Abhängige beruhte im Wesentlichen die adlige Stellung.

Die Entstehung der Adelsschicht ist in den einzelnen germanischen Stämmen auf verschiedene Weise vor sich gegangen. Bei Sachsen und Friesen war der Grund- Herrschaftsbesitz von großer Bedeutung. Bei den Franken stand die Nähe zum König und die im Königsdienst erworbenen Verdienste mehr im Vordergrund. Von nicht geringer Bedeutung ist die Entwicklung während der Völkerwanderungszeit selbst.

Die Verwaltungsstruktur der ehemaligen römischen Provinzen wurde von einem provinzialrömischen senatorischen Adel bestimmt, der bei den reichsten Familien über ganz Westeuropa verstreut den Ton angab. Diese Grundherren umgaben sich seit jeher mit Söldnern, bewaffnetet in Notzeiten auch ihre Sklaven. Mit dem Untergang des Kaiserreichs wurden dieser provinzielle Uradel mit einem Schlag noch unabhängiger, und wusste seinen Besitz gegen die germanischen Eindringlinge oft genug zu verteidigen. Nicht wenige germanische Krieger reihten sich indes – durch Gewalt oder Bündnispolitik – in diese Klasse ein. Durch die Landnahmen Odoakers und Theoderichs etwa wurden vielen Günstlingen ein Drittel vom Haus und Besitz eine römischen Grundherrn zugewiesen. Auch dies mag ein Grundstock für die sich später bildende Adelsschicht sein.

Im 9. Jahrhundert entwickelte sich unter den Karolingern eine recht einheitliche Reichsadelsschicht. Das Rückgrat dieser Begünstigten bildeten die Grafen (comes), die mit einer großen Autorität in ihrer Grafschaft (comitatus) ausgestattet wurden. Der Amtsinhaber war vom König abhängig, von diesem bekam er den Titel, der ihn zur Verwaltung eines Königsgutes und Kriegsdienst verpflichtete. Grafen erhoben die dem König zustehenden Zölle und gewährten Königsschutz auf ihrem Gebiet. Dazu gehörte auch die Gerichtsbarkeit. Grafenämter waren durchweg in Händen des Adels.

Nachdem die Kapetinger die Karolinger als Herrschaftsdynastie ablösten (911 mit dem Tod König Ludwigs des Kindes), gewannen die zum regionalen Adel gehörenden führenden Geschlechter mehr an Bedeutung. Aus ihnen gingen die Repräsentanten des so genannten jüngeren Stammesherzogtums hervor. An der Wende zum 10. Jahrhundert standen die Herzöge mit eigenen Familiendynastien an der Spitze der Stämme, und wurden von diesen anerkannt. Daraus ergab sich auch eine Autorität, die die Gerichtsbarkeit in bestimmten Gebieten einbezog. Diese von den Stämmen her anerkannten Adligen machten später den von Königsgnaden ernannten Adligen Konkurrenz. Dieser Stammesadel konnte auch dem König selbst gefährlich werden – etwa der Welfenherzog Heinrich der Löwe, der sich im 12. Jahrhundert gegen die Staufer auflehnte.

Letztlich verfolgten gerade die deutschen Kaiser eine Strategie, die die Herzöge mit ihrer königsgleichen Macht verstärkt in das Reich einband. Daraus entstand die Praxis, selbst Herzöge an geografischen Brennpunkten einzusetzen, womit das Amtsherzogtum geboren war. So richtete Kaiser Otto II. etwa 976 das Herzogtum Kärnten ein. Diese neuen Fürstentümer untergruben mit der Zeit die Macht des Stammesadels.

Der so genannte Amtsadel spielte bei der Verwaltung des Reiches ebenfalls eine gewichtige Rolle. Diese Ministeriale gingen aus dem Haus- und Hofdienst hervor. Vom König erhielten diese, zuvor oft unfreien, Männer bestimmte Machtbefugnisse und übernahmen wichtige Verwaltungsaufgaben. Durch das Dienstlehen stiegen die Ministeriale nicht selten in das Rittertum und schließlich in den hohen Erbadel auf.

Die Heerschildordnung beschrieb die Hierarchie des Adels, schriftlich fixiert erstmals um 1230 im „Sachsenspiegel“. Die Heerschildordnung legte fest, wer Vasallen (Lehnsleute) zum Kriegsdienst aufbieten durfte.

Die Rangordnung:
1. Heerschild: Der König. Er darf nicht Vasall sein, aber die Fürsten sind seine Vasallen. Königliche Lehen, die an das Reich zurückfallen, muss der König wieder vergeben (Leihezwang).
2. Heerschild: Geistliche Fürsten. Sie dürfen nur Vasallen des Königs sein.
3. Heerschild: Weltliche Fürsten. Auch sie dürfen nur Vasallen des Königs sein.
4. Heerschild: Grafen und freie Herren. Sie waren meist Vasallen der Reichsfürsten (2. und 3. Heerschild). Nur wenigen gelang es, reichsunmittelbar zu werden. Der Reichsfürstenstand war ihnen versagt.
5. Heerschild: Ministeriale und schöffbare Freie, die Gerichtsbarkeit ausüben durften.
6. Heerschild: Mittelfreie.
7. Heerschild: Ritteradel.

Aus dem Reichsfürstenstand (die Gelnhäuser Urkunde nennt 1180 bei der Absetzung des Herzogs Heinrich des Löwen neunzig geistliche und sechzehn weltliche Fürsten) entstand im 14. Jahrhundert das Kurfürstenkollegium, das laut Goldener Bulle (1356) den Kaiser wählen durfte.

Literatur: Wilhelm Volkert; Adel bis Zunft, Ein Lexikon des Mittelalters; C.H.Beck; München; 1991;
Hrsg.: Reinhard Elze und Konrad Repgen; Studienbuch Geschichte, Band I; Klett-Cotta; Stuttgart; 1994; Diether Krywalski, Die Welt des Mittelalters; Aschendorff Verlag; Münster; 1990

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