Geschichtspodcast 11 Der Untergang der Ordensritter

Reenactment 2006: Die Schlacht von Tannenberg/Grunwald. © Roma / bagrit.pl

Nichts für zarte Seelen: Ritterspiele in Polen; Varusschlacht: historischer Wendepunkt oder überhöhtes Symbol?; Tritonus: urwüchsige Musik aus dem Alpenland; Kulturtipps Mai: Tacitus, eine Tragikomödie und Mittelalterspektakel.

Schlachtspektakel in Grunwald

Polen lieben Ritterspiele. Aber kein Spektakel kommt der alljährlich im Juli begangenen Schlacht bei Grunwald gleich. Mehrere Tausend Akteure, darunter bis zu 1500 Kämpfer, stellen jene Schlacht nach, die der Expansionspolitik des Deutschen Ordens im Jahre 1410, genauer: am 15. Juli, einen gewaltigen Dämpfer versetzte.

In diesem Jahr ruft der polnische Verein „Schlacht bei Grunwald“ erneut zur großen Reenactmentveranstaltung, die sich durchaus mit den anderen europäischen Historienevents messen kann. Vom 9. bis 15. Juli tummeln sich Mittelalterfans samt Lagerausrüstung auf dem legendären Schlachtfeld bei der Gemeinde Grunwald in der masurischen Seenplatte. Und wie alle Jahre wieder, wird die nicht ganz 6000 Seelen zählende Gemeinde durch Akteure und Zuschauer für einige Tage um das Vielfache anwachsen. Auch aus Deutschland reist jedes Jahr eine Handvoll Spätmittelalterfans an. Diese Delegation organisiert der Regensburger Thomas Butters bereits seit 2000.

Thomas Butters ist selbst Spätmittelalterakteur und gehört dem Förderverein „Schlacht bei Tannenberg/Grunwald anno 1410“ an. Tannenberg ist der deutsche Name des Ortes. So groß auch die Begeisterung der Polen für das Reenactment ist – in Deutschland ist die Resonanz der Aktiven noch recht bescheiden, meint Butters. Jährlich werbe er bei über 100 Vereinen und Gruppen für die Teilnahme. Für den Koordinator ist die Teilnahme Ehrensache. Ihm geht es um zwei Dinge: Die groß angelegte Inszenierung von Geschichte und um Völkerverständigung. Weshalb sein Förderverein auch den Beinamen „Gesellschaft für europäische Integration durch Kulturaustausch“ trägt.

Wer in diesem Jahr mal mitschnuppern will in dem polnischen Spektakel wende sich also an Thomas Butters. Auch kurzfristig ist eine Anmeldung noch möglich. Im Podcast stellen wir zudem die Teilnahmebedingungen vor und sagen etwas zum Ablauf der Veranstaltung. Und klären auch über die Ursprünge des jährlichen Spektakels in Grunwald/Tannenberg auf. Die Ursprünge reichen zurück in die frühen 1990er Jahre.

Kurz und knapp: Die Geschichte hinter dem Spektakel

1410 trat ein litauisch-polnisches Bündnis den Rittern des Deutschen Ordens entgegen. Der hatte sich seit dem 13. Jahrhundert ein großes Reich in Osteuropa erobert und setzte damals zum großen Sprung nach Litauen an. Die christliche Taufbewegung der vorangegangenen Jahrzehnte hatte der Heidenbekämpfung, die der Orden lange Zeit als Grund für seine Expansion vorschob, den Boden entzogen. Der polnische König Wladislaw Jagiello tat sich mit dem litauischen Großfürsten Vytautas zusammen. Je nachdem, welche Quelle man hinzuzieht, trafen auf polnisch-litauischer Seite bis zu 30 000 Mann auf rund 20 000 Deutschordensritter. Einen Tag dauerte die Schlacht, am Ende lag der deutsche Hochmeister Ulrich von Jungingen mitsamt der Blüte seiner Ritterschaft tot auf dem Schlachtfeld. Die Sieger besetzten danach große Teile des Ordenslandes. Der Deutsche Orden rettete seine Existenz durch Entschädigungen und zähe Verhandlungen. Gut 100 Jahre später war der Staat des Deutschen Ritterordens ein weltliches Herzogtum unter polnischer Lehnsherrschaft. Und die Schlacht von Tannenberg oder Grunwald ging – je nach Sichtweise – als großes Desaster oder als glänzender Sieg in die Geschichte ein.

Varus, Varus – und kein Ende

Die Varusschlacht lässt uns noch lange nicht los. In der Podcastsendung geht es aber nicht primär um Kalkriese – pro und kontra. Sondern um das Buch „Die Varusschlacht – Wendepunkt der Geschichte?“ Herausgegeben hat es der Osnabrücker Historiker Rainer Wiegels, der maßgeblich bei der Sichtung der Ausgrabungsergebnisse von Kalkriese beteiligt war. Neben weiteren Wissenschaftlern schrieb auch die Kalkrieser Archäologin Susanne Wilbers-Rost an dem Buch mit, das im März 2007 als Sonderband der Zeitschrift „Archäologie in Deutschland“ beim Theiss-Verlag erschien. Es trägt neue Erkenntnisse zur Varusforschung zusammen und widmet sich vor allem einer Frage: Wie bedeutend war die Varusschlacht wirklich?

Um es vorwegzunehmen: Wiegels räumt in seinen Beiträgen mit dem Mythos auf, dass die Varusschlacht irgendetwas mit der Gründung der deutschen Nation zu habe. Zwischen Germanen und Deutschen liegen Welten. Das zum einen.

Zum anderen hat die Schlacht zeitgenössisch gesehen durchaus ihre Bedeutung. Römische Autoren werteten sie als große Schande für das Imperium. Aber sie räumten der Niederlage keine herausragende Bedeutung ein, stellt Wiegels fest, der antike Schriften durchforstete. Erst die Neuzeit habe die Schlacht zu dem herausragenden Symbol im Kampf gegen die Römer gemacht. Wiegels verortet den Beginn dieser Stilisierung in der Reformationszeit. Den Lutheranern ging es gleichfalls um einen Kampf gegen Rom, genauer: gegen die katholische Kirche. Die Figur des germanischen Heerführers Arminius, eingedeutscht zu Herrmann, schien wie geschaffen für diese Rolle. Und so habe sich dieses Bild auch bis heute in den Köpfen vieler Hobbyhistoriker festgesetzt.

Wiegels legt dar, dass die historischen „Folgen“ der Varusschlacht stärker in ihrer Rezeption seit der Frühen Neuzeit als im Schlachtgeschehen selber zu suchen sind. Die entscheidende Wende in der Germanienpolitik der Römer sehen Zeitgenossen und viele Wissenschaftler denn auch eher in der Abberufung von Varusnachfolger Germanicus im Jahre 16 n.Chr. Das Imperium verlegte sich auf die Sicherung der Rheingrenze – wohl auch deshalb, weil viele Kräfte damals in Gallien und Pannonien gebunden waren. Man kann dazu stehen wir man will; diese Darstellung liest sich allemal spannend, zumal Wiegels diese Abfolge gut mit Argumenten untermauert.

Natürlich widmen sich die Autoren auch ausgiebig dem Schlachtfeld von Kalkriese. Der Ausgrabungsort zieht sich überhaupt als eine Art Roter Faden durch das gesamte Buch. Man könnte dem Herausgeber damit durchaus eine gewisse Einseitigkeit vorwerfen. Doch welchen Grund sollte Wiegels eigentlich haben, ausgewiesene Kalkriesekritiker ins Autorenboot zu holen? Er betont folgendes im Buch und auch nach einer Anfrage von mir jüngst per E-Mail: Nach den bislang ausgegrabenen Funden sprechen die Indizien ihre eigene Sprache; die Wahrscheinlichkeit sei hoch, das Kalkriese mit den Ereignissen aus dem Jahr 9 n.Chr. direkt in Verbindung stehen. Das Buch listet neben den Münzfunden auch die Funde römischer Ausrüstungsgegenstände und menschlicher sowie tierischer Überreste auf. So gesehen ist der Band ein aktueller, und vor allem wissenschaftlich untermauerter Diskussionsbeitrag pro Kalkriese. Und das ist mehr als nur erlaubt: Im Hinblick auf den 2000. Jahrestag der Schlacht ist das geradezu notwendig. Jedem Interessierten sei das Buch daher wärmstens empfohlen. Zu haben für 24,90 Euro bzw. für 43 Schweizer Franken im Buchhandel.

Webseite Theiss-Verlag in Stuttgart

Urwüchsige Musik aus der Schweiz

„Alpan“ ist der Name der neusten Scheibe von Tritonus. Seit über 20 Jahren ist die Gruppe auf den Spuren der Schweizer Volksmusik. Sie sieht sich als Bewahrer und Umformer der traditionellen Musik vom späten Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert. Tritonus geht es nicht um das Rauspressen von einem Album nach dem anderen – die Band ist live am besten. Und so ist „Alpan“ erst die zweite Einspielung nach dem schon legendär zu nennenden Album „Alte Volksmusik in der Schweiz“ von 1991. Beide Alben sind preisgekrönt.

Aus beiden Alben spielen wir einige Stücke an. Und wer genau hinhört, stellt auch fest: Die Jingles zwischen den einzelnen Podcastkapiteln stammen gleichfalls von Tritonus. Mit freundlicher Genehmigung der Band.

Tritonus können nicht nur verdammt gut musizieren, die Gruppe hat auch Geschichten zu erzählen. Genau das wollten die Bandbegründer Urs Klauser und Beat Wolf auch in den 1980er Jahren. Beide sind sie Instrumentenbauer und Musiker zugleich. Beide schauten damals etwas neidisch auf die so peppige Volksmusik der anderen: Irish Folk, argentinischer Tango, Klezmermusik… Wie in unseren Breiten auch, beherrschte damals wie heute die volkstümliche Musik die Regale der Musikgeschäfte und die Fernsehkanäle der Schweiz.

Klauser und Wolf suchten also das Echte und Ursprüngliche – die andere Volksmusik gewissermaßen. In alten Liederbüchern wurden sie fündig; die Schaffung eines ansehnlichen Instrumentariums und die Suche nach weiteren Musikern tat ein Übriges. Tritonus war geboren und spielt sich seither zu Recht in die Herzen der Hörer. Und liefert mit den beiden Alben eine klasse Bandbreite von Musikstücken ab. „Alte Volksmusik in der Schweiz“ enthält denn auch vor allem traditionelle Stücke, meist nur leicht von Tritonus arrangiert. Das Alpan-Projekt hingegen sprüht vor Experimentierfreude. Neben Perlen Schweizer Volksmusik sind hier auch neue Werke zu hören – gleichwohl an die Traditionen angepasst. Untermalt mit jazzigen Saxophonklängen. Das Ganze klingt mal nach fröhlicher Volksweise, mal barock und mal düster. Die Scheibe ist vielfältig und betörend!

Kulturtipps Mai: Tacitus, griechisches Theater und ritterliche Turniere

  • Museumspark Kalkriese (Varusschlacht im Osnabrücker Land): „gesprochen, geschrieben, gedruckt – wie die Rede auf die Varusschlacht kam.“ Neben Tacitus und seinen Geschichten geht es in der Ausstellung auch um die Geschichte der Schrift und des Buchwesens. Die Ausstellung ist noch bis zum 31. Oktober zu sehen
  • Luzerner Theater : Tragikomödie von Euripides mit dem Titel „Alkestis“. Premiere am 16. Mai, weitere sieben Auftritte folgen noch bis zum 12. Juni
  • Schloss Neuenburg in Freyburg an der Unstrut: Pfingst-Ritterturnier mit Markttreiben, Konzerten, zünftigen Turnieren und Spielszenen aus dem Leben der Grafen von Thüringen. Zu erleben vom 26. bis 28. Mai

Musikalischer Abschluss mit: Drunken Prayer „Ive Been Down a Mighty Long Time“ mit freundlicher Unterstützung von Podsafe Music Network.

Artikel aus der Rubrik „Geschichtspodcast“

  • Himmlische Klänge für eine Heilige

    Eine neue Episode mit Déjà-vu-Charakter: Die heilige Elisabeth wird noch einmal gewürdigt – mit einem Gastpodcast von Birge Tetzner zur gleichnamigen Ausstellung auf der Wartburg. Und mit einem Albumtipp von Raumklang.

  • Staufer-Kaiser erstaunt die Welt

    Mittelalterlich oder freigeistig? Tolerant oder machtlüstern? Antichrist oder Versöhner der Religionen? Friedrich II. von Hohenstaufen (1194 bis 1250) hinterließ große Spuren in Okzident und Orient. Wir folgen ihnen in dieser Episode.

  • Staufer, Medien und die Römer

    Unsere Themen: Burgbelebung / zehn Jahre „Dorrenberger“ / Pax et Gaudium hört auf / Kriminalgeschichten im Netz / Streit um Runneburg / Workshop für historische Musik / Römermuseum Xanten.

  • Auf Ohrenreise zu den Skythen

    Gold aus skythischen Gräbern glänzt derzeit in Berlin. Die Kunsthistorikerin Birge Tetzner produziert den Podcast zur Ausstellung und den Audioguide für Besucher. Ein Blick hinter die Kulissen – mit akustischen Leckerbissen.

2 Kommentare

  1. Leider funktioniert der Download im Artikel http://chronico.de/hoeren/audiothek/0000422/ nicht. Schade.

    18. November 2008, 21:11 Uhr • Melden?
    von Jörn
    1
  2. Danke für den Hinweis: Der Download und das Abspielen funktionieren wieder. Viel Hör-Vergnügen damit!

    Diese und einige andere Podcastepisoden lagerten auf einem externen Server. Der Diensteanbieter hat seine Dienste aber offensichtlich klammheimlich eingestellt. Wir stellen alle betroffenen Episoden um.

    20. November 2008, 09:11 Uhr • Melden?
    von Marcel Schwarzenberger
    chronico
    2

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