Geschichtspodcast 5 Grenzgänge: Roms schnelle Schiffe

Nach römischen Vorlagen: Das Regensburger Patrouillenschiff auf Donaufahrt. © Florian Himmler/VEFAG

Die Themen der Novemberausgabe: Leipziger erforschen mittelalterliche Musikwelt; Mit einem römischen Schiff auf Patrouille; Bilderbuchkarriere römischer Soldaten; Tiroler wecken römische Provinzstadt auf; Von der Steinzeit zu den Wikingern - Diskussionsforen machen Geschichte.

Leipziger erforschen mittelalterliche Musikwelt

Bei dem Schleswiger Handwerkermarkt Ende Oktober waren auch die Musiker der Leipziger Gruppe Nimmersêlich dabei. Das Ensemble spielte im Remter des St. Johannisklosters – also in der großen Halle – einige Ausschnitte aus seinem Repertoire von Werken aus Hoch- und Spätmittelalter. Unverfälscht, ohne Elektronik, ohne Mikrofon und nur mit historischen Instrumenten. Nimmersêlich betreibt Quellenstudium nach überlieferten Musikstücken. Was die Gruppe derzeit aktuell so treibt – darüber habe ich mich mit Martin Uhlig unterhalten. Und ihn auch mal nach einem anderen Projekt gefragt, das Martin mit seinem Ensemble-Kollegen Robert Schuchardt unterhält: Dem Internetportal spielleut.de nämlich, eine seit Jahren konsequent ausgebaute Plattform für Freunde mittelalterlicher Musik.

Doch zunächst zum aktuellen Forschungsprojekt von Nimmersêlich: Experimente zum „Llibre Vermell“ aus dem Kloster Montserrat in Südspanien. Das Interview habe ich mit Martin im Kreuzgang des Schleswiger St. Johannisklosters aufgenommen.

Mit einem römischen Schiff auf Patrouillenfahrt

Mit Sicherheit war es Abenteuerlust, die den norwegischen Forscher Thor Heyerdahl dazu brachte, mit Schiffen aufs Meer zu fahren, wie sie alte Kulturen verwendeten. Aber er wollte auch wissen, wie diese alten Bootstypen funktionierten. Die gleiche Neugier treibt auch Studenten und Dozenten der Universität Regensburg an, die dafür eigens den Verein der Freunde der Alten Geschichte gründeten.

Regensburg war einst die Garnison der Legio Tertia Italica. Es lag also nahe, dass einige Studenten eine Living-history-Gruppe gründeten, die diese Truppe neu erstehen ließ. Mit kompletter Ausrüstung, gefertigt nach historischen Belegen.

Im 4. und 5. Jahrhundert war die Donau eine Grenzlinie, die das schwächelnde römische Imperium immer intensiver bewachen musste. Zum Einsatz kamen Flusskriegsschiffe mit einer Länge von fast 22 Metern, einer Breite von 2,80 Meter und 30 Ruderern. Und mit einem Mast ausgestattet, der vermutlich ein Lateinsegel trug. Das weiß man heute von antiken Autoren selbst. 1982 entdeckten Bauarbeiter in Mainz die Überreste von vier römischen Schiffen. Archäologen stellten später fest: es waren die Vertreter des Bootstypus Navis Lusoria, die auch auf der Donau zum Einsatz gekommen sein mussten.

Erstmals war damit die Chance gegeben, ein schwimmfähiges antikes Flusskriegsschiff zu rekonstruieren. Die Studenten und Dozenten wollten ihr Wissen um die Antike aber praktisch erproben und beschlossen den Bau der rund 100.000 Euro teuren Rekonstruktion. Dank des Einsatzes vieler freiwilliger Helfer und mit Sponsorengeldern lief die „Lusoria“ 2004 auf der Donau vom Stapel.

Schon der Bau sollte neue Erkenntnisse bringen, wie die Schiffe vor fast 1600 Jahren gebaut wurden. Das Institut für Metallurgie an der Technischen Universität Clausthal lieferte 2800 originalgetreue Eisennägel und -bolzen. Auch die Holztechniker der Fachhochschule Rosenheim holten die Regensburger mit ins Boot. Planken, Spanten – die gesamte Technik ist so rekonstruiert, wie es Vorlagen und nicht zuletzt die Mainzer Schiffswracks vorgeben. Zierhölzer an Bug und Heck und eine farbenfrohe Bemalung gaben der „Lusoria“ den letzten Schliff.

Eine geübte Crew, auch das wissen die Regensburger inzwischen, kann es auf eine Reisegeschwindigkeit von bis zu sieben Knoten bringen. Das sind etwa 13 Stundenkilometer. Eine beachtliche Geschwindigkeit, die den Einsatz der Schiffe als Militärfahrzeuge bestätigt. Auch in diesem Jahr war das Schiff auf der Donau unterwegs.

Bilderbuchkarriere römischer Soldaten

Der obergermanisch-raetische Limes zwischen Rhein und Donau gehört seit 2005 zum Weltkulturerbe der Unesco. Der Thorbecke-Verlag hat ganz frisch ein Buch zu den Grenzbefestigungen des Römischen Reiches mit Schwerpunkt Germanien herausgebracht. „Der Limes. Grenze Roms zu den Barbaren“ heißt das Werk der Autorengemeinschaft Martin Kemkes, Jörg Scheuerbrand und Nina Willburger. Sie haben sich vor allem der Zeit des 2. und 3. Jahrhunderts angenommen und legen ein Buch voller Detailreichtum vor. Interessierte, aber auch Freunde der eisenzeitlichen Reenactmentszene dürften damit auf ihre Kosten kommen.

Das Buch zeichnet weniger die Historie des Limes in geschichtswissenschaftlicher Manier nach. Vielmehr geht es den Autoren um die Darbietung archäologischer Erkenntnisse und deren Quellen. Geschichtliche Abläufe fehlen aber nicht ganz: Die Einführung besorgt eine Zeitleiste der römischen Provinzen an Rhein und Donau.

In zehn weiteren Kapiteln nehmen die Autoren den Organismus „Limes“ auseinander. In knappen Texten werden die wichtigsten Themen beleuchtet. Dabei gehen sie unterem der Frage nach, was die römische Herrschaft kennzeichnete. Und hier legen sie den Fokus auf das Militärwesen des Imperiums. Wie kollaborierten einheimische Völker mit den Römern? Wie fand der Kulturaustausch in Friedenszeiten am Limes statt? Wie sah die Organisation einer Legion und ihrer Einheiten aus?

Die Beiträge unterfüttern die Autoren mit zahlreichen Karten, Rekonstruktionszeichnungen und Abbildungen archäologischer Funde. Und sie geben zeitgenössische Zitate dazu. Manche stammen von Grabinschriften römischer Amtsträger, die peinlich genau deren Stationen im römischen Heer belegen. Manche führt das Buch beispielhaft auf, was sehr gut vor Augen führt, wie global die Karriere eines Soldaten in seiner damaligen Welt sein konnte.

Klasse strukturiert sind die Kapitel, die sich dem Alltag der Soldaten, seien es reguläre Legionäre oder Hilfstruppen, widmen. Auch hier finden sich Belege, die uns römische Garnisonen hinterlassen haben. Zum Beispiel die auf eine Tonscherbe geritzte Stärkemeldung einer Einheit, die im 3. Jahrhundert im libyschen Bu Njem stationiert war. Für den 24. Dezember fanden Archäologen diesen Tageseintrag: Gesamtstärke der Einheit: 57 Mann. Davon 8 Reiter, 1 Schreiber, 1 Unteroffizier (Optio), 1 Späher, 22 Mann beim Exerzieren, 1 Mann als Ausguck, 1 Mann am Tor, 1 Mann beim Kommandeur, einer als Bauarbeiter tätig, 3 Mann krank, 15 Mann am Ofen, 2 Mann im Bad.

Weiter geht es mit Details zu jährlichen Soldzahlungen, Medizinischer Betreuung, Religion und Festen. Die Struktur des Limes und das Kastell Aalen als so genannte „Limes-Schaltzentrale“ bekamen eigene Kapitel, die wiederum zahlreiche Modellabbildungen aufweisen. Ein Glossar am Ende des Buches erklärt die wichtigsten Namen und Begriffe.

Auch auf die experimentelle Archäologie und die Reenactmentszene werfen die Autoren mehr als einen Blick. „Dieser Zweig der Forschung habe viele Fragen erst aufgeworfen und sie auch beantworten können“, schreiben die Autoren. Wie ja auch das Beispiel der Regensburger Patrouillenschiffbauer zeigt, können solche Experimente vieles Erhellen, was Archäologen ausgraben.

Das Buch mit seinen 288 Seiten gibt es für 19,90 Euro im Buchhandel (ISBN 3-7995-3401-6). Es ersetzt nicht die gschichtswissenschaftliche Lektüre zum Thema Limes, aber ergänzt sie hervorragend. Und gerade für Menschen, die sich im Living-History-Bereich mit Rom befassen, bietet das Werk hervorragende Hinweise zum Hintergrund ihrer Darstellung.

Thorbecke Verlag

Tiroler wecken römische Provinzstadt auf

Rom zum Dritten: Und dafür reisen wir nach Tirol. Genauer, nach Aguntum, der einzigen römischen Stadt Tirols, die erst vor kurzem mit einem Museumsprojekt zu neuem Leben erweckt wurde. Von der antiken Stadt bei Dölsach in Osttirol zeugen noch heute einige Ruinen, die das einst rege Leben in der Handelsstadt vor rund 2000 Jahren belegen. Kaiser Claudius erhob die Siedlung in der Mitte des ersten Jahrhunderts zur Stadt. Sie übte mehrere Jahrhunderte lang im heutigen Osttirol großen Einfluss aus.

Seit fast 100 Jahren wird in den Ruinen gegraben und werden die Überreste ans Tageslicht gebracht. Zu den eindrucksvollsten Zeugnissen, die noch heute zu sehen sind, gehören die üppig geplante öffentliche Therme und Teile der alten Stadtmauer. Das Haupttor ist 9,50 Meter breit und an manchen Stellen bis zu 2,50 Meter dick.

Das Land Tirol und die Universität Innsbruck, die heute die Grabungen leitet, fanden sich zum Museumsparkprojekt zusammen. 1999 starteten die Arbeiten dafür. Im Auge haben die Partner vor allem die Inszenierung von Leben und Kultur der Römerzeit in den Alpen. Die Ruinen – darunter etwa das große Marmorbecken aus einem Atriumhaus – sowie die archäologischen Funde bilden den wichtigsten Pfeiler der Präsentation.

Aufbau und Verwaltung des Museums übernahm der eigens gegründete Verein „Curatorium Pro Agunto“. Das, was die historischen Reste nicht mehr zeigen können, sollen virtuelle Animationen in dem großzügig angelegten Museumsbau übernehmen. Dort hinein verfrachtete der Verein das Marmorbecken, das zuvor unterhalb einer nahe gelegenen Bundesstraße dahindämmerte. Nun dehnt sich rund um das 16 Meter lange Becken ein insgesamt 1200 Quadratmeter großer kubischer Bau aus, der die archäologischen Schätze teils in Vitrinen, teils in szenischen Darstellungen präsentiert.

Museumspädagogische Angebote, virtuelle Reisen durch die rekonstruierte Stadt, Führungen und Workshops runden das Angebot des Museums „Aguntum Stadt“ ab. Wer mag, kann sich schon mal auf der Webseite des Museums mit dem Projekt vertraut machen. Die ist sehr informativ und bietet viel Bildmaterial, ist allerdings etwas umständlich in der Navigation. Machen Sie sich selbst ein Bild unter aguntum.info. Wer dort nachschaut, wird feststellen, dass über die Winterzeit Saisonpause herrscht. Aber: Das Museumsbüro ist ganzjährig dienstags und donnerstags von 8 bis 12 Uhr besetzt. Und Führungen sind nach vorheriger Anmeldung auch außerhalb der Öffnungszeiten möglich.

Museumspark Aguntum in Tirol

Von der Steinzeit zu den Wikingern: Diskussionsforen machen Geschichte

Mit dem Ausklang der Freiluftsaison für die Reenactoren beginnt wieder die Phase der Neubesinnung – und der Recherche. Was hat geklappt, und vor allem warum, was war noch fehlerhaft an der eigenen Ausstattung, und wo gibt es Quellen und Belege für neue Vorhaben. Das sind Fragen, denen oft in der Diskussion mit Gleichgesinnten nachgegangen wird – als Ergänzung zur Eigenrecherche. Mit dem Archaeoforum und dem Vikingnet stellen wir Ihnen heute zwei Diskussionsforen im Internet vor.

Archaeoforum.de bietet von beiden Internetplattformen die ungleich größere Vielfalt an behandelten Zeiten. Die Palette reicht vom Paläolithikum bis in die Antike. Viele der derzeit rund 150 registrierten Nutzer sind selbst mit der ein oder anderen Darstellung befasst. Steve Lenz, der das Forum im Januar 2006 ins Leben rief, ist eine Art Paradebeispiel dafür: Als Jäger und Sammler widmet er sich dem Jungpaläolithikum (um 18.000 v.Chr.), stellt sich die Ausstattung eines Angehörigen der Urnenfelderkultur (m 1050 v.Chr.) zusammen und ist schließlich als Handwerker der früheisenzeitlichen Hallstattkultur (um 650 v.Chr.) unterwegs.

Allerdings muss kein Experte sein, wer sich bei Archaeoforum.de einklinken will. Ohne Berührungsängste, erklärt Lenz, sollen Laien und Fachleute aufeinander treffen. Schon jetzt tummeln sich dort Akademiker, Quereinsteiger in die Geschichtsszene und Neulinge. Das Konzept? „Fragen aufzuwerfen und darauf Antworten zu finden“, beschreibt Lenz.

Gleiches gilt im Wesentlichen auch für die Nutzer des Vikingnet. Der Name lässt es erahnen: Das Forum ist ein Informationsnetzwerk zur Geschichte des Frühmittelalters in Nordeuropa. Herausgeber der Plattform ist Bernd Günther aus Isernhagen bei Hannover. Seit einigen Jahren schon leiten er und sein Moderatorenteam – darunter gestandene Mitglieder der Living-History-Szene – die Diskussionen rund um Geschichte, Kultur, Archäologie und Darstellung frühmittelalterlicher Völker. Im Fokus stehen die Wikinger, oder treffender gesagt: Nordmänner. Aber auch Slawen, Angelsachsen und andere Kulturen finden sich im Forum wieder.

Kompetenz trifft auf Neugier des Einsteigers. Es geht um Geschichtliches, um Bekleidung und Handwerk, um Hinweise auf einschlägige Museen und Veranstaltungen in Europa und schließlich die ganze Vielfalt der Rekonstruktion in der Reenactmentszene. Wer sich also für Ur- und Frühgeschichte, Antike und Frühmittelalter interessiert, findet in einem der beiden Internetforen mit Sicherheit gute Ansprechpartner.

Archaeoforum.de
Vikingnet.de

Musik von Podsafe Music Network

Zum Abschluss und Ausklingen für die Ohren noch ein souliges Stück von Kelly Brock und dem Titel „High on the sunshine“ mit besten Dank an Podsafe Music Network.

Website von Kelly Brock

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2 Kommentare

  1. Hallo- seht interessant. Wir wollen 2008 mit drei Segelbooten die Donau befahren und bereiten gegenwärtig ein Material zur evt. späteren Veröffentlichung (unter GPL) vor. Ich suche Material zur Geschichte der Donauschiffahrt. Können wir Bilder des Nachbaus des römischen Patrouillenbootes vröffentlichen ? Können Sie mit weiterem Material hlfen ?

    21. Dezember 2007, 11:12 Uhr • Melden?
    von Hartmut Herrlich
    1
  2. Die Bilder des Patrouillenschiffs stehen nicht zur freien Verfügung. Aber am besten bei den Regensburgern anfragen, der Link ist ja links im Text beim entsprechenden Abschnitt dabei.

    Was ist GPL? General Public Licence wie GNU – also frei zugängliche Texte wie sie bei Wikipedia stehen?

    21. Dezember 2007, 13:12 Uhr • Melden?

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