Augustdorf Auf römischen Spuren am Teutoburger Wald

Verteidigungslinie der Vindeliker-Kohorte © Marcel Schwarzenberger

Römer in Ostwestfalen Lippe – das klingt nach Hermannsdenkmal und Varusschlacht. Erinnerungen, die in der Gemeinde Augustdorf mit Leben erfüllt werden. Ein Blick hinter die Kulissen.

Weißer Fleck wird belebt

Durch die Brille eines Romfans gesehen, ist Augustdorf ein weißer Fleck: Gut zehn Kilometer vom nordrhein-westfälischen Detmold entfernt. Mit einer Geschichte, die ins späte 18. Jahrhundert zurückreicht. Weites Land, knapp 10.000 Einwohner, und mittendrin der Fußballverein FCE Augustdorf. Kein antiker Fund hat je einen Archäologen hierher gelockt. Und doch ist Augustdorf der perfekte Ort für den Privatmann Christian Hinder aus Lemgo.

Aus dem Stand initiierte Hinder 2006 die erste Auflage der Römertage in Augustdorf. Trotz etlicher Unkenrufe aus dem Umfeld etablierter Veranstaltungsorte kamen Darstellergruppen mit hervorragendem Ruf. Die meisten kommen an diesem Wochenende wieder. Fast 40 Gruppen, Handwerker und Händler sind vom heutigen Freitag an dabei – insgesamt rund 300 Akteure. Drei Tage lang zelebrieren sie ein Lagerleben wie vor 2000 Jahren. Und wieder mischt die in der Szene bestens etablierte Legio Prima Minervia Pia Fidelis mit ihrem Centurio Stefan Heres als Ko-Organisator mit. Es muss also etwas geben, das Menschen aufs flache Land lockt, die es sonst eher in Freilichtmuseen mit authentischer Kulisse zieht. Daran mangelt es in Augustdorf; aber Hinder und Heres gleichen das mit einem pfiffigen Programm aus.

Vom Cherusker-Walk zu den Römertagen

„Die Region ist mit der Varusschlacht einfach eng verbunden“, stellt Christian Hinder zunächst klar. Immerhin befindet sich Augustdorf mitten in dem geografischen Dreieck, dessen Spitzen von Kalkriese, Haltern und eben Detmold gebildet werden. Drei Museumsstandorte, die in zwei Jahren den 2000. Jahrestag der legendären Schlacht im Teutoburger Wald begehen. Dieser Wald immerhin erstreckt sich bis an die Fluren von Augustdorf.

Mit einschlägigen historischen Veranstaltungen konnte sich Ostwestfalen Lippe bislang nicht rühmen. „Wir wollen die römische Eisenzeit für den Kreis wieder entdecken“, sagt Hinder. Die Wissenschaft ist sich uneins, wann und wo welche Legionen durch die Gegend zogen, in den Jahren vor und nach der Varusschlacht. Der Bezug sei nun einmal da, und die rege Teilnahme von Reenactors bei den Römertagen zeigt, welche Anziehungskraft das Gebiet entwickeln kann.

Vor gut drei Jahren begann Hinder, der sich als Unternehmensberater mit Schwerpunkt Außenhandel betätigt, sich näher mit der römischen Vergangenheit Germaniens zu beschäftigen. So richtig auf Touren kam sein Interesse beim Cherusker-Walk im Jahre 2005. Hinder organisierte eine Walkingtour durch den Teutoburger Wald. Gewissermaßen als „Walking Act“ bat er die Legio Prima um Stefan Heres, diese Tour zu begleiten. „Wir sind in voller Montur und mit historischem Marschgepäck losgezogen“, erinnert sich Heres. Die Walkingteilnehmer waren von der historischen Aufmachung der Legionäre begeistert.

Hinders Ehrgeiz war geweckt. Der Wirtschaftsfachmann zog die Römertage mit professioneller Finanzplanung, Sponsoren und Partnern aus der Eventbranche auf. Die Legio Prima war schnell als Expertengruppe für die historische Szene gewonnen. Heres knüpfte die Kontakte zu weiteren Römergruppen. Augustdorf bot neben einem großzügigem Gelände auch einen rührigen Fußballverein, der gemeinsam mit Hinder die Veranstalterrolle übernahm. Die Gemeinde war schnell vom Römerfieber gepackt. Was die Legio Prima und die anderen Akteure letztlich reizte, war das Konzept: „Wir wollen und können auf eine gute Qualität achten, und es steckt unheimlich viel Enthusiasmus dahinter“, sagt Heres. Die Römertage Augustdorf waren von Beginn an nicht als flaches Historienspektakel mit kommerziellem Schnickschnack geplant. Hinder funkte Heres bei der Suche nach guten Darstellern nicht dazwischen. „Und so sind wir zu den vielen, wirklich guten Gruppen gekommen“, freut sich der Organisator. Zur ersten Auflage 2006 kamen bereits 24 Gruppen mit zusammen 170 Teilnehmern.

Hinder sah sich bestätigt. Skepsis schlug ihm zuvor aus der historischen Szene entgegen. Kalkriese, Oerlinghausen, Haltern, Aalen, Saalburg – an vielen Orten sind Reenactmentveranstaltungen seit Jahren etabliert. Aber eben stets an Museen mit eisenzeitlichen Schwerpunkten geknüpft. Ein historisch gut ausgestattetes Darstellerlager auf dem platten Land konnte sich kaum jemand vorstellen. „Es war ein Experiment“, räumt Heres ein. Aber Augustdorf biete auch eine Chance. „Ohne historische oder museale Kulissen lässt sich der Fokus besser aufs Lager legen“, sagt er. Auch Nachwuchsgruppen hätten bei einem solch jungen Event eine Chance, sich zu beweisen.

Rollenspiel mit historischem Anspruch

In diesem Jahr nun kommen die meisten Gruppen erneut nach Augustdorf, verstärkt durch weitere Gruppen, darunter auch einige Italiener. „Die meisten Teilnehmer vom Vorjahr haben schon selbst gefragt, ob sie wiederkommen können“, sagt Heres. Das ist so ziemlich das größte Lob, das Akteure für Veranstalter aussprechen können. Ob Antiken- oder Mittelalterszene – oft genug kommt es schnell zu Reibungsverlusten, wenn Organisatoren sich übernehmen, und ihre Akteure bei Verpflegung, Bezahlung oder der Versorgung mit simpelsten Dingen im Regen stehen lassen. So mancher groß angekündigte Event hinterließ wegen solcher Nicklichkeiten und Veranstalterfehler einen schalen Beigeschmack bei allen Beteiligten. „In Augustdorf herrschte von Anfang an eine gute Stimmung“, meint Heres.

Neben der Legio Prima schlagen etablierte Vereinigungen wie Ars Replika, die Vindeliker-Kohorte, Classis Augusta Germanica oder Timetrotter ihre Zelte auf dem Gelände auf. Auch so mancher Germanendarsteller ist mit dabei. Die Voraussetzung für ein für die Living-history-Szene noch eher seltenes Schauspiel.

Vorführungen antiker Handwerkskunst und militärischen Lebens der Legionäre, das ist die eine Seite der Römertage. Die andere ist ein durchchoreografiertes Programm in einer extra aufgebauten Arena. Moderierte Spielszenen mit Überfällen auf römische Händler, Kämpfe zwischen Germanen mit den römischen Besatzern sowie einer Gerichtsverhandlung sind die einprägsamen Bilder, die die Besucher mitnehmen. Untermalt mit Tänzen, Opferzeremonien und Gladiatorenspielen. „Wir wollen damit einen neuen Weg der Geschichtsvermittlung probieren“, beschreibt Heres. Unterhaltung, ja, – aber nicht auf Kosten der Stimmigkeit. So das Credo der Organisatoren. Mit diesem Mix will Hinder auch in den nächsten Jahren die Römertage anbieten, mindestens bis 2009. Der Jahrestag der Varusschlacht elektrisiert auch im Lippischen die Gemüter. Hinder sieht es als folgerichtige Ergänzung zu den etablierten Veranstaltungen. Und für die Zeit danach habe er auch schon Pläne.

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