Qualitätsdiskussion 2 Geschärfter Blick mit „Geschichts-Michelin“?

Nur museal oder auch Folklore? Das Publikum jedenfalls kommt bei dieser Pompa mit Römerdarstellern im Archäologiepark Xanten auf seine Kosten. © Marcel Schwarzenberger

Geschichte steckt irgendwie immer drin. Aber was macht eine gute historische Veranstaltung aus? Vielen gilt Authentizität als Maß aller Dinge. Auch für Besucher? Neues Licht auf eine alte Frage.

Die Frage nach dem großen „A“

Es ist gut ein Jahr her, dass chronico sich der Frage nach dem „Gütesiegel für Akteure historischer Veranstaltungen“ annahm (Link siehe Kasten). Es ist im Grunde die Frage nach der effektiven Suche nach Projekten, die als Garanten für eine qualitativ hochwertige Veranstaltung dienen könnten. Ein Gütesiegel, das übergreifend für alle Epochen die Darstellung von Einzelpersonen oder Gruppen bewertet, gibt es im deutschsprachigen Raum bislang nicht. Die in der Darstellerszene latent köchelnde Diskussion darüber, ob man ein solches Qualitätssiegel braucht oder nicht, und wenn ja – wer es denn ausgeben solle –, ist noch nicht beendet. Es mangelt an Verbänden und Dachorganisationen, die einen Disput in geordnete Bahnen lenken könnten. So vertrauen Veranstalter weiter vor allem der eigenen Nase. Nun der Versuch eines neuen – und kommentierenden – Ansatzes.

Ein Blick in die Themen des deutschen Internetforums „Tempus vivit“ offenbart: Dort schlägt der Streit um das große „A“ (für Authentizität) und seine Bedeutung für das Ausrichten öffentlicher Veranstaltungen von Anfang an immer wieder hohe Wellen. Das Forum gibt es mittlerweile seit zehn Jahren. Braucht es einen „Michelin für das Mittelalter?“ – also nach dem Vorbild des kritischen Hotel- und Restaurantführers – fragte 2006 ein Akteur der Mittelalterszene. Der Disput in diesem Thema verlief im Sande. Kaum einer der Teilnehmer sah einen Vorteil in einer Art „Geschichts-Michelin“. Die einen bemängelten den praktischen Nutzen, andere erkannten realistisch, dass es derzeit keine neutrale Institution gibt, die eine Bewertung vornehmen könnte, die zudem der vielfältigen Szene eines Gebiets gerecht werden könnte. Welches Gebiets überhaupt? Sollte man nach Nord- und Süddeutschland trennen? Oder nach Staatsgrenzen vorgehen? Könnte das deutschsprachige Gebiet insgesamt ein Raum sein, der innerhalb seiner Grenzen homogene Bedingungen für Bewertungsraster bietet? Lässt sich also ein Mittelaltermarkt in Zürich mit einem Römer-Event in einem nordrhein-westfälischen Museum vergleichen? Denn auf solche Vergleiche liefe die „Michelin“-Sache hinaus, sollte sie wirklich für Dritte nachvollziehbar sein.

Es gibt da noch einen Haken. Auf ihn kam einer der Diskutanten in dem „Tempus-vivit“-Thema zu sprechen. „Ich glaube, das größte Problem würde das Festlegen der Kriterien sein“, sagte er. Genau das ist für mich die Kernfrage. Wie ließe sich eine solche Frage lösen? Die Museumswelt versucht, für sich Antworten darauf zu finden.

Noch kaum erprobt: das Museums-Gütesiegel

So alt das Museumswesen ist, und so lang auch die Suche nach dem richtigen Qualitätsmanagement auch die Museumsleiter umtreibt – verbindliche Richtlinien sind eine junge Erscheinung. Erst im Februar 2006 gab der Deutsche Museumsbund gemeinsam mit ICOM-Deutschland die „Standards für Museen“ heraus. Der Internationale Museumsrat ICOM (International Council of Museums) ist eine Tochterorganisation der UNESCO für Museen und Museumsfachleute. Folgende acht Kriterien umfasst das Papier:

  • dauerhafte institutionelle und finanzielle Basis
  • Leitbild und Museumskonzept
  • Museumsmanagement
  • qualifiziertes Personal
  • Sammeln
  • Bewahren
  • Forschen und Dokumentieren
  • Ausstellen und Vermitteln

Nun gilt dieses Papier für Museen aller Couleur. Ich bitte den Leser deshalb, diesen Ansatz gedanklich auf Museen mit historischen Ausstellungen zu reduzieren. Auf die Szene rund um die Inszenierung historischer Lebenswelten bezogen, zeigen diese Standards manche vertraute Forderung auf. Eine Veranstaltung braucht sicherlich ein Konzept, das auf einer finanziell sicheren Basis verwirklicht wird. Der Punkt „Vermittlung“ dürfte vor allem für Verfechter der historisch getreuen Darstellung wie der oft formulierte „Bildungsauftrag“ klingen.

Ließe sich aus diesen Standards ein Gütesiegel für Museen entwickeln? Tatsächlich versuchen derzeit erst drei deutsche Bundesländer genau das herauszufinden. So will Sachsen eine Art „Museums-TÜV“ ins Leben rufen, der auf den Standards basiert. Das verkündete die Landesstelle für Museumswesen im Frühjahr 2007. Etwa 20 Museen sollen in einer Modellphase, die 2008 beginnt, einheitliche Kriterien einführen. Die Häuser müssten sich demnach künftig für ein Gütesiegel bewerben und permanent die Einhaltung der Kriterien nachweisen. Etwas, das in Großbritannien bereits seit 20 Jahren üblich ist, und auch in Skandinavien oder den Niederlanden Einzug gehalten hat. Für Katja M. Mieth, Chefin der sächsischen Landesstelle, gehören auch solche Dinge dazu: Informationen in Fremdsprachen oder barrierefreier Zugang zu den Ausstellungen, sagte sie der Presseagentur dpa. Auch der Museumsverband Niedersachsen-Bremen unternimmt derzeit mit Hilfe des Landes Niedersachsen ein Registrierungsverfahren. Dieses Verfahren soll Museen als solche klassifizieren, sie weiterentwickeln – und letztlich in die Verleihung von Gütesiegeln münden. 33 Verbandsmitglieder sollen gleichfalls in einem Pilotprojekt die nötigen Kriterien dafür formulieren.

Österreich ist da schon einen Schritt weiter. Dort wird bereits seit 2002 ein Museums-Gütesiegel verliehen. Auch dieses basiert auf allgemeingültigen Standards, die mit der ICOM für alle musealen Spielarten ausgehandelt wurden. Das Siegel soll garantieren, dass das im Museum bewahrte Kulturgut für künftige Generationen gesichert ist (inklusive Dokumentation und Inventarisierung), fachgerecht ausgestellt und vermittelt sowie wissenschaftlich bearbeitet wird – und durch garantierte Öffnungszeiten dem Publikum zugänglich ist.

In der Schweiz gibt es ein eigens für Museen kreiertes Gütesiegel derzeit nicht, auch wenn die Mitgliedschaft im Museumsverband bereits gewisse Auflagen bedeutet. Die sind für den Besucher indes so nicht erkennbar. Eher schon das „Qualitäts-Gütesiegel für den Schweizer Tourismus“, das der Tourismusverband des Alpenlandes verleiht. Im Juni 2007 warb beispielsweise das Museum „Römerstadt Augusta Raurica“ in Augst damit. Allerdings: Dieses Gütesiegel ist sehr auf das Qualitätsmanagement (QM) der internen Strukturen fokussiert – vergleichbar mit der Zertifizierung nach DIN ISO 9000, wie sie auch Unternehmen vieler Branchen auf sich nehmen. Ein System, das dem Publikum gegenüber extrem erklärungsbedürftig ist. Wiederum auf die historische Darstellerszene bezogen: Das QM-Zertifizierungsverfahren dürfte zur Bewertung von Veranstaltungen, die oft von Ehrenamtlichen getragen werden, wohl kaum taugen.

Der Super-GAU: „Erlebniswelt Renaissance“

Ein gutes Ausstellungskonzept allein macht noch keinen Publikumsrenner. Diese Binsenweisheit musste jüngst eines der ambitioniertesten Museumsprojekte in Deutschland erfahren: die „Erlebniswelt Renaissance“ im niedersächsischen Weserbergland. Die im September 2005 mit massivem Multimedia-Einsatz gestartete Schau sollte an sechs authentischen Standorten die Renaissance zu neuem Leben erwecken. Im Zentrum stand das Hamelner „Hochzeitshaus“. Gebäude, zeitgenössische Menschen und Lebenssituationen – all das sollten die Besucher mittels eines ausgeklügelten elektronischen Führers, dem E-Guide, erleben können. Per GPS sollten sie von einem Standort zum anderen gelangen. Rund 20 Millionen Euro aus Fördertöpfen, darunter auch aus der EU, setzte die Erlebniswelt GmbH ein. Mit dem Prestigeprojekt sollte der Tourismus in der Region angekurbelt werden – auch die Städte Rinteln, Stadthagen, Bückeburg, Bevern und Höxter sind mit elektronisch hochgerüsteten Standorten dabei.

Zur Eröffnung streikten die E-Guider. Viele Stationen wiesen lange Zeit technische Mängel auf, der Generalunternehmer meldete Ende 2005 Insolvenz an. Statt ordentlich Appetit auf Geschichte zu machen, sorgte die „Erlebniswelt“ vor allem mit ihren Problemen für Aufmerksamkeit. Statt der erhofften 185.000 Besucher kamen in den ersten zwölf Monaten lediglich 20.000, notierte die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Dabei gab es von jenen, die an Tagen ohne Panne die Schau durchwanderten, reichlich Lob. Erst Monate nach der Eröffnung verfielen die Betreiber auf die Idee, Geschichtslehrer als Tester durch eine endlich voll funktionsfähige Ausstellung zu schicken. Zu diesem Zeitpunkt war das Kind längst in den Brunnen gefallen. Aber mit viel politischer Fürsprache seitens der niedersächsischen Landesregierung ließen sich die beteiligten Landkreise im September 2007 dazu bewegen, die Betreiber-GmbH nicht in die Insolvenz zu schicken. Allerdings werden die sechs Standorte künftig getrennt fortgeführt. Das Hamelner „Hochzeitshaus“ ist vorerst stillgelegt, die Standorte Rinteln und Höxter befinden sich momentan im Testbetrieb.

Womöglich hätte die „Erlebniswelt“ trotzdem die Kriterien für ein Museums-Gütesiegel erfüllen können, wie es nun in Niedersachsen vorbereitet wird. Das Beispiel zeigt aber, was wirklich zählt: die Wirkung auf das Publikum. Kein Standard, wie er vom Museumsbund formuliert wurde, stellt allein auf die Menschen ab, die dafür bezahlen, die Ausstellungen zu sehen. Welche Kriterien wünschten sich – auf unser Thema übersetzt – demnach Besucher historischer Veranstaltungen?

Akteure haben persönliche Standards

Im Dezember 2007 ging eine E-Mail von chronico in der Szene rund. Darin fragte ich Darstellergruppen und Veranstalter, welche Kriterien für sie wichtig sind, wenn sie als Besucher unterwegs sind. Ich habe die Frage absichtlich sehr offen gestellt – im Grunde lassen sich Living-History-Events, Mittelaltermärkte, Ausstellungen, aber auch Konzerte, Lesungen oder Theaterstücke dem sehr allgemeinen Begriff „historische Veranstaltungen“ zuordnen. Die Antworten sind – den Adressaten entsprechend – indes komplett auf Veranstaltungen fokussiert, bei denen Darsteller aktiv ins Geschehen eingebunden sind.

Die Antworten zeigen dennoch deutlich auf, wie unterschiedlich die Herangehensweise ist, wenn es um Bewertungsmaßstäbe geht. Ich gebe die Meinungen (teilweise gekürzt) nun wieder:

Peter Huto vom österreichischen Verein „Kompagnie St. Barbara 1474“ legt großen Wert auf „gute Darstellung“ und eine „gewisse Detailverliebtheit“ bei den Akteuren. Veranstaltungen sind für ihn auch gute Gelegenheiten, Gleichgesinnte zu treffen. Und was er von den Akteuren erwartet, erlegt er auch dem eigenen Verein auf: „Das wichtigste für mich ist, zuzusehen, wie die eigene Gruppe an Veranstaltungen wächst, die eigene Darstellung immer ausgefeilter wird.“

Aber: Was ist eine gute Darstellung? Bei Reenactors scheint die Sache klar zu sein. Der Centurio eines deutschen Römervereins (er möchte nicht genannt werden), präzisiert den Anspruch. Ihm gehe es um die Authentizität der Gruppen – in Ausrüstung, Auftreten, Wissen und Vermittlung. Einige dieser Begriffe nennt auch der Museumsbund in seinen Standards. „Atmosphäre“ und „Ambiente“ zählt der Römerdarsteller als weitere Kriterien für eine gute Veranstaltung auf. Damit gemeint seien unter anderem das Miteinander der Gruppen, die Kooperation zwischen Darstellern und Veranstalter oder sich harmonisch und „historisch korrekt“ einfügende Bauten oder Versorgungseinrichtungen wie Imbissbuden oder Toiletten. Und der „Centurio“ nennt auch das Verhältnis der Akteure zum Publikum.

Ganz ähnlich sieht es auch Markus Gruner von der Germanen-Gruppe „Foederati Fabricae“. „Ich achte natürlich auf die Authentizität und Wirkung anderer Darsteller, den pädagogischen Anspruch gegenüber dem Publikum und das Verhältnis von Aufwand und Kosten zu dem damit verbundenen Nutzen sowie Spaß.“

Von „authentischer Konzeption“ spricht auch Gudrun Köhler, Vorsitzende des spätmittelalterlich orientierten Vereins „Hansevolk zu Lübeck“. Ganz gleich, ob es sich dabei um historische Feste oder Living-History-Veranstaltungen handelt. Mit authentisch meint Köhler aber nicht nur die geschichtlich getreue Ausstaffierung, sondern auch das Ausnutzen der lokalen Gegebenheiten. „Wir lieben Feste mit einem besonderen Ambiente oder etwas, was typisch für die Festregion ist. Das könnte die Einbeziehung von Wasser (Koggen), Religion (Kirchen, Klöster) oder historischen Themen (Karneval, Schlacht) sein“, sagt sie. Wichtig sei ihr zudem eine „interessante Mischung“ guter Händler und Darstellergruppen.

Historisches Stadtfest oder Mittelaltermarkt auf der einen, streng nach historischen Vorbildern arbeitende Veranstaltung auf der anderen Seite – diese Trennung nimmt Wikinger-Darstellerin „Rigani“ von der Gruppe „Bifroest“ vor. Bei ersteren sei ihr wichtig, dass es „irgendwie urig“ zugeht. Nicht der Fokus auf geschichtliche Stimmigkeit, sondern der Unterhaltungscharakter stünde dann im Vordergrund. Geringe Eintrittspreise und Darsteller, die auch tatsächlich eine Rolle wie Marketenderin, Spielmann oder Ritter verkörpern, sowie „mittelalterlich anmutende“ Speisen und Getränke machten eine gelungene Veranstaltung aus. Die Antwort nach den wichtigsten Kriterien müsste allerdings anders lauten, wenn sie selbst als ernsthafte Akteurin dabei ist, sagt „Rigani“. „Ich achte darauf, dass die Darstellung eines bestimmten Zeitfensters, sei es Frühmittelalter oder Hochmittelalter, glaubwürdig und überzeugend ist und keine Anachronismen vorkommen.“ Diese Wertung nimmt sie anhand der Kleidung und den verwendeten Materialien vor, also der Ausstattung von Akteuren und Lagern an sich (Möbel, Geschirr, Waffen, Zelte usw.). „Ich achte auch darauf, wie gut moderne Elemente ‘versteckt’ werden, um die Darstellung noch überzeugender zu machen“, sagt die Darstellerin.

Geheimrezept „Mittelaltermarkt“?

Dass das Eintrittsgeld das gebotene Preis-Leistungsverhältnis widerspiegeln muss, findet auch Ralf Janas vom bayerischen Verein „Wilder Haufen – ein Geschichts- und Kunstprojekt“. Seine Welt sind unter anderem Mittelalterfeste oder das Tiroler Spektakel „Ehrenberg – die Zeitreise“. Darauf zugeschnitten formuliert Janas Vorstellungen, die den Unterhaltungswert ins Zentrum rücken. „Der Besucher will ja nicht vorrangig auf eine Geschichtslehrstunde, sondern einen abwechslungsreichen Tag verbringen“, sagt der Vereinsvorsitzende. Veranstalter müssten entsprechend auf ein abwechslungsreiches Programm achten – neben lagernden Gruppen gehören für Janas auch Rollen wie Geschichtenerzähler, Musiker oder Gaukler dazu. Doch wenn schon Menschen in historisierende Rollen schlüpfen, sollten sie auch alles „Neumodische“ aus den Blicken des Publikums verbannen, findet Janas. Auch in den Zelten, die möglichst offen gestaltet werden sollten. Schließlich gehöre auch ein Mindestmaß an historisch anmutender Kleidung dazu.

Ein stimmiges Ambiente – auch für Veranstalter sollte das Bemühen darum zum Selbstverständnis gehören, meint Stefan Eckardt vom Verein “Burgfreunde Lichtenberg“ in Oberfranken. Der Verein veranstaltet regelmäßig Mittelalterspektakel auf der gleichnamigen Burgruine. Eckardt fokussiert indes weniger auf archäologisch belegbare Details. Mittelaltermärkte funktionieren anders. „Sie müssen ausgewogen bestückt sein. Also nicht nur Essenstände und Händler, die nur verkaufen, sondern auch reine Handwerksstände, an denen es was zu erleben gibt“, sagt Eckardt. Je kommerzieller ein solcher Markt ausgerichtet sei, desto eher glichen sich die vielen Märkte einzelner professioneller Veranstalter, kritisiert Eckardt. „Der erlangt nie die Atmosphäre, wie dies ein Markt schafft, der von einem Verein oder einem privaten Organisator organisiert wird.“ Nicht die Verkaufsatmosphäre, sondern das vielfältige Angebot an Aktionen entscheide über die Güte der Veranstaltung. Und dazu können auch gewandete Besucher beitragen, sagt Eckardt. Dabei stehe nicht die „absolute Authentizität“ im Vordergrund, sondern dass möglichst viele Besucher verkleidet zur Schaffung einer bunten Atmosphäre beitragen. „Diese Marktbesucher sollten unbedingt ermäßigten Eintritt bekommen“, sagt Eckardt.

Keine Frage, Veranstaltungen, die sich unter dem Begriff „Mittelaltermarkt“ subsumieren lassen, ziehen oft massenweise Besucher an. Ist das aber allein bereits ein Qualitätsmerkmal? Hieße das dann, dass ein streng nach historischen Vorbildern arbeitender Living-History-Event mit vielleicht 20 oder 30 Akteuren und einigen hundert Besuchern ein Desaster wäre? Und sorgen Reenactors automatisch für weniger Unterhaltung, wenn es „nur“ Handwerksvorführungen und Modenschauen gibt? Diese Fragen sind rhetorisch, so lange sie nicht die Motivation von Akteuren und Besuchern berücksichtigen. Und auch dann unterliegt die Wertung nach „unterhaltsam“ oder „lehrreich“ völlig subjektiven Vorstellungen.

So versucht „Rigani“ von „Bifroest“ eine Trennung für sich zu finden: Zum einen „das reine Entertainment, wobei es dann im Grunde genommen egal ist, ob es sich um ein Feuerwehrfest oder ein Stadtfest handelt“ – und zum anderen die Veranstaltung, wo „man als Besucher wirklich etwas über die Vergangenheit erfahren und lernen möchte.“ Auf beides hat sich die Darstellerin eingelassen, und durchaus Unterschiede beim Publikum festgestellt: „Die Besucher einer Burgbelebung oder einer Museumsveranstaltung sind wesentlich interessierter und stets zu einem Dialog bereit. Bei den anderen (Groß-)veranstaltungen sind die Besucher leider nicht so zurückhaltend interessiert und mehr darauf aus, der Welt ihr Halbwissen lautstark mitzuteilen … sie halten einen schnell für langweilig, wenn man nicht spektakulär mit irgendwelchen Waffen herumfuchtelt, sondern lieber Lederzeug einfettet oder Suppe kocht.“

„Der Wurm muss dem Fisch schmecken“

Soweit die Ergebnisse unserer kleinen Umfrage. Sie ist keineswegs repräsentativ, zeigt aber doch die manchmal weit auseinander driftenden Ansichten darüber, welche Kriterien Akteure oder Veranstalter für eine historische Veranstaltung anlegen. Schwer vorstellbar, dass sich daraus allgemeingültige Regelungen formulieren ließen, die für Märkte wie für museale Veranstaltungen gelten könnten. Wer zudem die „A-Diskussion“ unter den Akteuren verfolgt, den überkommt automatisch das Gefühl, dass viele Darsteller eine solche Gemeinsamkeit gar nicht wollen. Kann denn für eine Veranstaltung wie das Living-History-Treffen „Abenteuer Mittelalter“ (2006 in der Harzstadt Goslar) der gleiche Kriterienkatalog gelten wie beispielsweise für das „Kaltenberger Ritterturnier“? Aus Sicht der Besucher möglicherweise – ja.

Es gibt keine neutrale Instanz, die festlegt, was eine qualitativ hochwertige Veranstaltung ausmacht, die „erlebte Geschichte“ zum Inhalt hat. Geht es schlicht nach persönlichen Präferenzen der Akteure, gibt es kaum einen gemeinsamen Nenner. Die einen sehen „Authentizität“ bereits gegeben, wenn Holz und Wolle statt Plastik verwendet wird. Die anderen wollen eine Ausstattung, die sich weitgehend an Belegen orientiert. Dritte stellen zudem aber die Frage nach dem Rollenspiel. Wo beginnt, wo endet das öffentlich gezeigte „historische oder historisierende Verhalten“? So mancher Archäotechniker hält es von vornherein für besser, im modernen Holzfällerhemd alte Handwerkstechniken zu zeigen und lehnt die „Gewandung“ kategorisch ab. Und es gibt Geschichtswissenschaftler, denen sich die Haare sträuben angesichts der Versuche, eine vollständige Ausrüstung für römische Legionäre oder spätmittelalterliche Ritter zu fertigen. Zu groß erscheint ihnen die Gefahr, ein subjektiv gefärbtes Geschichtsbild zu kreieren, weil jeder öffentlich vorgeführter Replik automatisch ein Stück Interpretation innewohnt.

Was also bedeutet „Authentizität“ wirklich? Diese Frage mag das Dilemma verdeutlichen, in der jeder steckt, der Kriterien dafür entwickeln will. Dabei gibt es eine Institution, die bei der Entwicklung von Anforderungen für „gute Veranstaltungen“ helfen könnte: das Publikum.

Akteure wollen von Besuchern ernst genommen werden. Umgekehrt gilt dies aber auch. Durch die Szene geistern Klischeebilder vom bildungsunwilligen „Touri“, der angeblich die Märkte beherrscht. Aber offensichtlich bieten Events jeglicher Couleur ihre Reize. Heute der Markt, morgen der historische Hollywoodfilm, übermorgen Ausstellung, Mittelalterkonzert oder das kleine, aber feine Living-History-Lager – so sieht möglicherweise die Besucherwirklichkeit aus. Die meisten Menschen dürfte eine „A-Diskussion“ ziemlich kalt lassen. Sie wollen, um in der Marketingsprache zu reden, da abgeholt werden, wo sie sind. Und aus ihrer Sicht mögen Mittelaltermärkte oder museale Veranstaltungen durchaus verbindende Elemente aufweisen, also etwas mit Geschichte zu tun haben. So manche Gruppe, die sich heute der exakten Darstellung verschrieben hat, begann auf einem Stadtfest ihre Karriere. Die Grenzen sind fließend. Wie erst für das Publikum!

Wer auf die Meinung seines Publikums Wert legt, betreibt Kundenorientierung. Das gilt für Museen wie für regelmäßig wiederkehrende oder exklusive Veranstaltungen. Gäbe es also einen Kriterienkatalog, der sich auf alle Formen der Inszenierung historischer Lebenswelten anwenden lässt – warum sollte nicht die Besucherschaft selbst ihren „Geschichts-Michelin“ entwickeln? Das Wo und Wie steht dabei erst einmal auf einem anderen Blatt.

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9 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Schwarzenberger, nicht nur Ihre Besprechung der lebendigen Archäologie, sondern auch die Frage nach dem Gütesiegel für Darsteller hat mich sehr interessiert. Beide Felder sind für alle historischen Museen von großem Zukunftswert, haben aber beide das Problem der qualitätsseitigen Kompatibilität mit den offiziellen Museumsstandards. Für den Bereich der Freilichtmuseen sind wir gerade sehr bemüht, die wissenschaftliche Anbindung zu halten. Wenn Sie möchten, können sie gerne unter www.livearch.eu oder www.exarc.net und unsere weitere Portale wie delphi.exarc.net schauen, wie wir uns dem Problem auf europäischer Ebene zu nähern versuchen. Die deutsche Entwicklung oder die niedersächsische läßt sich davon ja kaum abkoppeln. Wenn Sie mir, der Politik oder uns als Museumsleuten einen Rat geben könnten wie wir diese Zertifizierungen erreichen könnten, wäre ich, wären wir Ihnen sehr verbunden. Haben Sie belastbare, vergleichbare und faire Standards, die Sie über die der ICOM hinaus bekannt geben können?

    Mit besten Grüßen
    Gunter Schöbel

    07. Januar 2008, 14:01 Uhr • Melden?
  2. @Gunter Schöbel
    Sie haben eine Menge Dinge angesprochen. Zunächst die “LiveArch”-Geschichte. Das läuft ja zwischen 8 (?) europäischen Freilichtmuseen, die alle zudem im europ. Museumsverband für Freilichtmuseen (EXARC) organisiert sind. Und es ist ein Projekt, das vorerst bis Ende 2009 läuft. Ziel, soweit ich verstanden habe: Standards entwickeln, wie solche Museen, die vor allem Living-History-Angebote bereithalten mit Akteuren sowie dem Publikum umgehen. Auch das von Ihnen geführte Pfahlbaumuseum ist dabei. Gibt es diese Standards schon? Dann wären Sie weiter als alle anderen, dem könnte ich kaum etwas hinzufügen. Und: Es ist mal eine zusätzliche Geschichte für chronico…

    Denn: Das Verhältnis Freilichtmuseum und AKteur ist ein (wichtiger) Teilaspekt der Szenerie, die ich mit dem Beitrag beleuchten möchte. Er ist, ich habe es geschrieben, ergebnisoffen. Und ob ein beobachtendes Medium selbst solche Standards formulieren und auch gleich Museen, Veranstaltern, gar Geldgebern aus Politik und Wirtschaft vorschreiben sollte, also das bezweifle ich sehr.
    Natürlich denken wir bei chronico darüber nach. Aber noch einmal: Erst geht es um gewisse Ab- und Eingrenzungen, on welcher Szene man überhaupt spricht, wenn Standards entwickelt werden. Und welches Verhältnis diese denn genau regeln sollen. Natürlich ist es vorstellbar, das auf einer Plattform wie chronico zu koordinieren. Aber als Qualitätsprüfer kann ein Medium kaum agieren. Daher ja auch der Gedanke, das Publikum einzubinden.

    07. Januar 2008, 17:01 Uhr • Melden?
  3. @Gunter Schöbel
    Die Idee mit dem Gütesiegel ist sicher nicht neu; gäbe es dafür eine Universallösung würde das nicht zuletzt auch den seriösen Darstellern viele Ärgernisse ersparen. Aber welche Institution soll das leisten? Wer steckt tief genug im Metier und ist dennoch in der Lage objektive Kriterien zu erstellen ?
    Zwar nicht zu diesem Zwecke entstanden, aber dennoch ziemlich genau dies leistend, ist das Netzwerk COMITATUS. (An anderer Stelle im Chronico bereits vorgestellt.) Eigentlich gegründet, um gruppenübergreifend im “Varusjahr” 2009 gemeinsam qualitativ hochwertige Aktionen leisten zu können. Dazu vermittelt es möglichst umfassend germanische Sachkultur um den Beginn der Zeitrechnung, prüft aber auch im Vorfeld Interessenten auf deren Eignung und Motivation. Könnte das nicht ein gangbarer Weg sein, indem die Darsteller selbst für die Standards in den einzelnen Abschnitten der Geschichte sorgen?

    07. Januar 2008, 21:01 Uhr • Melden?
  4. Ich beziehe das Folgende auf die Darstellung antiker/ spätantiker Kulturen!

    Es ist ja nicht so, dass nicht jede/jeder Darsteller(in) nach eigener persönlicher Auffassung (!) qualitätvolle Arbeit leistet. Nur klafft die Schere zwischen Selbsteinschätzung und Tatsache (ebenso personen-, respektive charakterabhängig) auseinander.
    Limitierende Faktoren sind die persönlichen Möglichkeiten und Ansichten. Des weiteren, was vermittelt werden soll/ will. Aus diesen Gründen gibt es doch innerhalb der “lebendigen Geschichtsdarstellung” (gerade im Bereich der Antike) ein ziemlich steiles Qualitätsgefälle. Die Sachkultur lässt enorm viel Interpretationsspielraum, etliche Kulturen (“Kelten“u.a.) locken gerne auch mal besonders geneigte Menschen in die Darstellung (wobei der museale Faktor mehrheitlich fehlt, respektive sehr schwer zu finden ist und ob es wiederum anbetracht mancher “Darsteller(inne)n” mit offensichtlich fragwürdiger Gesinnung überhaupt wünschenswert ist, dass diesen eine museale (didaktische)Plattform zugänglich gemacht wird).
    Leider stehen gerade besagte “Darsteller” sehr gerne kostenfrei den Museen zur Verfügung – entgegen der nur gegen Gage auftretenden “A-Fraktion” (sorry in die Runde), was logischer Weise gerne mal die Entscheidung der musealen Finanzverantwortlichen zur Verpflichtung für Anlässe maßgeblich beeinflusst. Da ist es dann schwierig bis unmöglich, “einen Fuß in die Tür zu kriegen”.
    Der “Michelin” für die “lebendige Geschichtsdarstellung” wäre eine gute Sache, aber das Gemium dafür muß objektiv und unabhängig sein. Sowas findet man nicht in der “Szene”. Ein rein institutioneller Stab ist ebenso kontraproduktiv. Es ist nach dem aktuellen Stand der Dinge noch nicht möglich meiner Ansicht nach. Solange die meisten Museen die lebendige Geschichtsdarstellung als wenig geliebtes Stiefkind betrachten, wird sich die Situation nicht ändern. Wenn man keinen akademischen Hintergrund vorweisen kann, wird es schwierig für den “ambitionierten Laien”. Es gibt zwar stellenweise auch Erfolge, die nutzen aber nicht der Allgemeinheit, nur dem Einzelnen. Und weil der Erfolg Neider schafft, fällt der Rückhalt der “Szene” weg. (“Warum der und nicht ich?”)
    Schlechte Voraussetzungen für einen runden Tisch aus Darstellern und Museumsleuten. Solange es da keine Bereitschaft gibt, an einem Strang zu ziehen und jeder nur auf den eigenen Vorteil (oder wenigstens die Vermeidung des eigenen Nachteils) bedacht ist, wird das nichts werden mit dem Gütesiegel, das wird ein heisses Eisen bleiben, weil´s keiner anfassen will oder bislang keiner da war, der´s lange genug zu halten vermag.
    Und seitens der Museen wird man als Darsteller mehrheitlich auch nur “gecastet” und dann in einer Ecke im Haus deponiert. Selten das Konzept erfragt. Ein Bestreben einer Zusammenarbeit ist nicht merkbar. Man kann den Besuchern eigentlich alles erzählen. Zu diesem Zeitpunkt im Namen des Museums.
    Die Museen sollten erst mal sehr viel skeptischer werden. Es braucht hier keinen Michelin, es braucht einen übergreifenden Fragenkatalog, der seitens Darsteller zunächst mal zu beantworten ist. Den sich dann auch jemand durchliest, bevor er ob Zu- oder Absage entscheidet. Sooo viele Anlässe sind es auch nicht und sooo viele Gruppen werden sich die Mühe des Ausfüllens erst gar nicht machen. Wäre adminsitrativ durchaus zu bewältigen.
    Dann trennt sich die Spreu von ganz allein vom Weizen.
    Und die darstellende Rige würde endlich mal eingenordet werden. Das es nicht damit getan ist, wenn man sich anderer Leute Arbeit zunutze macht und sich Fibel A zu Gürtel B bei Händler C bestellt. Es muß allen klar werden (vor allem den Museumsleuten), wieviel Arbeit der einzelne in die historisch plausible Umsetzung von Befunden gesteckt hat. Nur so kann man aussagen über Vorgehensweisen treffen und ob es zu verantworten ist, diesem Darsteller das eigene Publikum zu geben!
    Es muß seitens eines jeden Darstellers belegt werden können, wie und warum er zu seinem Rekonstruktionsvorschlag gelangt ist. Imagebroschüren mit Quellenangaben seitens Darsteller müssen Pflicht werden, kein Feature einzelner!
    Es wären eigentlich nur wenige kleine Dinge, welche beide Seiten zu ändern hätten.

    08. Januar 2008, 14:01 Uhr • Melden?
  5. @Steve
    Danke für diesen Praxisblick aus Sicht eines Akteurs!
    Der Begriff “Gütesiegel” muss ja nicht überstrapaziert werden. Für das Verhältnis Living-History-Szene und Museum kann ein solcher Fragekatalog bestimmt helfen. Gibt es den noch nirgends?? Aber: So mancher würde auch den als Gütesiegel bezeichnen, und läge damit sicher nicht falsch.

    Ich spiele nochmal advocatus diaboli: Darsteller können für ihre persönlichen Ansprüche Regeln aufstellen, denen sich andere anschließen mögen (siehe Markus und COMITATUS). Damit bleiben sie in einem gewissen Rahmen von Darstellungen. Damit sind aber sicherlich weniger museale Events nicht abgedeckt. Märkte zum Beispiel. Braucht man vielleicht auch nicht, wenn es um die Bewertung von Akteuren geht. Da finden Veranstalter ihren Weg bzw. lassen sich hoffentlich auch etwas sagen.
    Doch will man historische Veranstaltungen in ihrer Gesamtheit einer Prüfung unterziehen, sehe ich eigentlich nur einen Sinn darin: es besucherorientiert zu machen. Einen gemeinsamen Nenner werden Akteure, die eben so unterschiedliche Ansprüche haben, nicht schaffen. Wollen sie meist auch gar nicht.

    08. Januar 2008, 15:01 Uhr • Melden?
    von Marcel Schwarzenberger
    chronico
    5
  6. Ich spreche auch nur die Situation zwischen Museum und lebendiger Geschichsdarstellung an! Weil es mein Tätigkeitsfeld ist. Auf Märkte gehe ich allenfalls rezent gekleidet und der Auftrag auf einem Markt ist ein völlig anderer – hierzu fehlen mir die Eindrücke und Erfahrungen, als dass ich mich hierzu objektiv äußern kann.
    Der Museums-Fragebogen entsprang eben vorhin meiner Kreativität :-) – jedenfalls ist mir nicht bekannt, das ein Museum einen solchen bei Anfrage ausgibt. Ich seh´s als einen “1.Schritt”, wenn sich Darsteller bei einem Museum für Auftritte bewerben. Ein Mittel zur Vorauswahl, wenn man so will, mit durchaus prüfendem Charakter. Es soll den Museumsverantwortlichen ein Mittel in die Hand geben, welches Beurteilungen über die Qualität des rekonstruierten/ nachgebauten Sachguts hinausgeht. Sozusagen die “Wölfe im Schafspelz” auszusieben hilft.
    Zum Damoklesschwert namens “besucherorientiert”:
    Das sehe ich für Museen wie für den puristischen Darsteller nur im Spagat erfüllbar. Die Museumsleute müssen manche Kröte schlucken, um Besucher ins Haus zu kriegen, also Hüpfburg, Keltengriller, Keltenkasperl, Keltenkinderbemalen…
    Seitens der darstellenden Partei überwiegen die Actiongruppen (Schaukampf ist ein Publikumsmagnet, dies unabhängig von der Qualität der Darbietenden). Kennt man ein “Lager”, kennt man alle. Der Zeigetisch mit Repliken verkommt zum Fotosujet, wo Oppa ungefragt den Helm dem Enkel auf den Detz setzt.
    Meines Wissens haben Museen vorrangig einen Bildungsauftrag.
    Momentan sehe ich vielerorts aber mehrheitlich eher Mißbildung. Vielleicht sollte man die Planstellen nicht ums Verrecken besetzen. Vielleicht sollte man sie eher um der Geschichte Willen besetzen!?

    08. Januar 2008, 20:01 Uhr • Melden?
  7. “Keltenkasper“und Hüpfburg werden unter Umständen kaum einen Besucher stören. Womöglich schreiben sie dem Museum nachher auch “sehr familienfreundlich” ins Gästebuch (womit wir übrigens ein mögliches Kriterium für Events haben). Das ist weder “falsch” noch “richtig”, sondern liegt allein im Ermessen des zahlenden Gastes. Die gleiche Familie kann ebenfalls ein “toll gemacht!” ins Gästebuch schreiben, wenn es diese modernen Zusatzangebote nicht gibt. Weil Ausstellung und Akteure völlig genügten.
    Das sind zwei Möglichkeiten, die sich nicht ausschließen müssen, wie ich finde. Damit aber Veranstalter testen können, was sie anbieten können, müssten alle historischen Events gleichsam “über einen Kamm geschert” werden können. Mit Standards, die jeder Besucher einordnen und beantworten könnte. Sprich: Fragebogen für Besucher.

    08. Januar 2008, 21:01 Uhr • Melden?
    von Marcel Schwarzenberger
    chronico
    7
  8. Stimmt, eine weitere Möglichkeit sind Feedback-Formulare, welche man unverbindlich im Durchgangsbereich auslegt, evtl. im Rahmen einer Verlosung mit einem verlockenden Sachpreis. Bringt Feedback und Pluspunkte. Eine weitere Möglichkeit wären in heutiger Zeit gutgepflegte Webpräsenzen mit Gästebüchern – das findet man kaum bis gar nicht seitens Museumslandschaft. Den modernen virtuellen Tourismus sollte man nicht unterschätzen!
    Man könnte so viel machen – man müsste nur wollen!

    08. Januar 2008, 22:01 Uhr • Melden?
  9. Hallo,
    ich habe lange überlegt, ob ich zu diesem Thema noch etwas schreiben soll und habe mich nun durchgerungen. Es geht weniger um eine Meinung sondern eher um eine Ergänzung, da mein gesamter Text etwas eingekürzt wurde und so der Sinn ein wenig verändert wurde (war aber auch wirklich ein langer Text).
    In Bezug auf das Entertainment wollte ich eigentlich ausdrücken, daß nicht mir, sondern dem ZAHLENDEN BESUCHER die urige Atmosphäre und die Unterhaltung wichtig ist. Ich persönlich mache um die großen kommerziellen Veranstaltungen mittlerweile einen großen Bogen, da für meinen Geschmack der Fantasyanteil inzwischen überwiegt, und es einfach keinen Spaß mehr macht, sich um ein gewisses Grundniveau zu bemühen, während andere mit Perücken oder Klamotten aus dem Gothic-Versandhaus herumlaufen.
    Wenn ich mich dann doch einmal dorthin verirren sollte, dann nur noch als “Touri” und mit der Erwartung, keine Erwartung zu haben.
    Das ist für mich die persönliche Konsequenz, die ich inzwischen aus der klischeeüberladenen Vermarktung des Themas Mittelalter ziehe.

    Danke
    Rigani

    18. Januar 2008, 00:01 Uhr • Melden?
    von Rigani
    9

Ihr Kommentar zum Artikel „Geschärfter Blick mit „Geschichts-Michelin“?“


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