Ottonen auf der Lütjenburg Steinschleuderer organisieren erste Meisterschaft

Autor Torsten Kreutzfeldt als Schleuderer in Aktion. © Kreutzfeldt / Lebendige Geschichte e.V.

Living History auf der Turmhügelburg: Ende Juli sind die Ottonen dort unterwegs. Zur Burgbelebung gesellt sich mit den ersten deutschen Meisterschaften im Steinschleudern noch ein besonderes Ereignis.

Alte Tradition, neuer Sport

Schon vor Jahrtausenden griffen Hirten oder einfache Fußsoldaten zur Schleuder, um Wölfe oder feindliche Krieger zu vertreiben. Auf den Balearen gibt es bis heute eine reiche Tradition von sportlichen Wettkämpfen. In jüngster Zeit hat dieser Sport auch Deutschland erreicht. Am Samstag, den 28. Juli 2012, finden auf dem Gelände vor der Turmhügelburg Lütjenburg in Schleswig-Holstein die wahrscheinlich ersten nationalen Meisterschaften Deutschlands im Steinschleudern statt.

Schleudern ist auf den Balearen eine regelrechte Sportart. © Joan Oliver i Ramon

Der Volkssport auf den Balearen, dem dort fast allwöchentlich bei Wettbewerben gefrönt wird, soll nun auch im kleinen Rahmen in Deutschland mehr Bedeutung bekommen. Die sportliche Wiederbelebung dieser alten Technik erfolgt hierzulande durch Vertreter der Living-History-Szene. Was wohl kaum verwundern dürfte, stößt man doch zwangsläufig bei der Beschäftigung mit antiken und mittelalterlichen Waffen auf die Steinschleuder.

Der historische Aspekt schlägt sich auch in der Wahl des Geländes nieder; die Turmhügelburg wurde auch aus diesem Grunde zur Verfügung gestellt. Aber: Der Wettbewerb soll ausdrücklich keine Gewandungsveranstaltung werden. Herzlich eingeladen ist also jeder, der/die über eine Steinschleuder verfügt, mit dieser umgehen kann und die Regeln des Wettbewerbs akzeptiert. Die Teilnahme kann also gern in historischer Kleidung, aber auch im Outfit des 21. Jahrhunderts erfolgen.

Was ist eine Schleuder?

Als Steinschleuder wird landläufig die sogenannte Zwille verstanden, die inzwischen in vielen Modellen inklusive gefährlichen Stahlkugeln bei Waffenhändlern und Versandhändlern erwerbbar ist. Dies ist aber nicht die historische Steinschleuder! David besiegte Goliath nicht mit einer Zwille, sondern mit einer Steinschleuder aus Schlingen, einem Band mit einer Einbuchtung für einen Stein in der Mitte und einer Schlaufe zum Festhalten auf einer Seite.

Mit einer Drehung (über den Kopf) wird das Geschoss auf Fahrt gebracht. Sobald eine Seite der Schlinge losgelassen wird, schießt der Stein in Richtung Ziel davon. Dies erfordert eine Menge Übung. Aber mit Blick auf die Treffsicherheit der balearischen Meister kommt rasch die Einsicht, was an dem biblischen Kampf zwischen David und Goliath unfair gewesen sein könnte.

Die Steinschleuder ist nicht nur aus grauer Vorzeit und der Antike bekannt, sondern wurde nachweislich auch im Mittelalter und in der frühen Neuzeit noch eingesetzt. Als Hirtenwaffe überlebte sie in den Hochflächen der Anden und in Tibet. Die Wiederbelebung als Volkssport auf den Balearen in moderner Zeit wurde bereits erwähnt.

Varus als Katalysator

Die Idee, uns in Deutschland intensiver mit dem Steinschleudern zu beschäftigen, entstand anlässlich einer Teilnahme als Schleuderer am 2009 stattgefundenen Reenactment der Kalkrieseschlacht (es blieb allerdings bei der Vorbereitung). Bereits 2008 schleuderten wir im Rahmen einer Veranstaltung und treffen uns seitdem regelmäßig. Entweder beim Berlin-Brandenburgischen Heerbann, auf der Turmhügelburg oder an anderen Orten, darunter bei der ottonischen Veranstaltung Wilhaim 2010 oder in diesem Jahr beim „10. Jahrhundert-Treffen“ in der Nähe von Augsburg.

Auf den Gedanken, erstmals eine Deutsche Meisterschaft im Steinschleudern zu veranstalten, kamen wir schon im letzten Jahr beim gemeinsamen Schleudern. Nach der erfolgreichen Teilnahme von zwei deutschen Vertretern bei den Internationalen Meisterschaften auf den Balearen (12. und 20. Platz) fanden wir, es sei Zeit für einen nationalen Wettkampf.

Dieser wird nach den Regeln des Lebendige Geschichte e.V. abgehalten. Zugelassen sind anders als auf den Balearen alle Schleuderarten, die allerdings eine gewisse Länge nicht überschreiten dürfen. Geschleudert wird zunächst auf die Entfernung von 20 Metern, im Entscheidungsschleudern auf 30 Metern. Das Ziel ist ein Holzviereck von 1,20 Meter Breite und 3-5 Zentimetern Dicke, auf den Balearen Diane genannt. Im deutschen Regelwerk heißt das Ziel Ariane; als kleine Hommage an das europäische Weltraumprogramm.

Die Zielscheibe – oder Ariane – der Steinschleuderer. © Torsten Kreutzfeldt

Im Zentrum der Diane/Ariane hängt man eine kreisrunde Metallplatte mit einem Durchmesser von 50 Zentimetern und einer Dicke von mindestens 6 Millimeter auf. Wird das Holz getroffen, erfolgt eine einfache Punktwertung. Trifft man die Metallscheibe, so zählt der Treffer jeweils doppelt. Bei einer gewissen Punktwertung erfolgt automatisch und unabhängig vom Wettbewerb die Aufnahme in den ersten oder zweiten Schülergrad nach den deutschen Regeln des Lebendige Geschichte e.V. Bisherige Träger des ersten Schülergrades „gelb“ sind Silvio Vass (Celle) sowie ich, Torsten Kreutzfeldt, und Johannes Kreutzfeldt (beide Halle/Saale).

Wettbewerb als Treffpunkt

Freilich sollen die ersten nationalen Meisterschaften im Steinschleudern nicht nur reiner Wettbewerb sein. Die Veranstaltung dient auch als eine Art Familientreffen für Teilnehmer und Interessierte. Und dies eben in einem geschichtlichen Umfeld, wie ihn die Lütjenburg bietet.

Die zwei erfolgreichen Teilnehmer der internationalen Meisterschaften werden gleichfalls zugegen sein. Als Schiedsrichter wird ein Vertreter des ausrichtenden Vereins fungieren. Zum Kennenlernen beginnt der Wettbewerb am Morgen mit einem gemeinsamen Frühstück auf der Turmhügelburg und einem „Einschleudern“. Gute Einschleuder-Ergebnisse können auch für die Qualifikation angerechnet werden. Weibliche Teilnehmer werfen mit der Schleuder nur auf die Hälfte der Entfernung und küren eine eigene Meisterin. Wir wünschen uns für den Wettbewerb viele Teilnehmer, gute Ergebnisse und besonders ein gutes Schleuderwetter.

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2 Kommentare

  1. Die Dinge sollen ja stimmen: Eben noch die Copyrightangabe bei einem Foto korrigiert. Es handelt sich um den Schleuderer im gelben Shirt. Danke an Torsten für Korrekturanmerkung!

    30. Juni 2012, 01:06 Uhr • Melden?
    von Marcel Schwarzenberger
    chronico
    1
  2. Und hier die Ergebnisse:
    Der erste Deutsche Meister ist Jaegoor (Silvio Vass) aus Celle, Träger des Schleudererschülergrades ROT.

    Die weiteren Ergebnisse:

    Qualifikation: 20 m, 20 Würfe

    1. Jaegoor (roter Schleuderer), 14 Punkte auf die Ariane
    2. Fundibularius (weiß), 5 Punkte
    2. Isidorus (gelb), 5 Punkte
    4. Hubert (weiß), 4 Punkte
    6. Jörn (weiß), 3 Punkte
    7. Hermann (gelb), 0 Punkte

    Finale: 30 m, 10 Würfe

    1. Jaegoor, 10 Punkte
    2. Fundibularius, 8 Punkte
    3. Isidorus, 2 Punkte

    03. August 2012, 23:08 Uhr • Melden?

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