Ellwangen Schluss für Alamannenmuseum?

Alamannische Objekte aus Grab 13 bei Lauchheim. © Alamannenmuseum Ellwangen

Klamme Zeiten für Kultur: Immer mehr Kommunen müssen den Gürtel enger schnallen und sparen, wo es geht. Das Alamannenmuseum in Ellwangen (Baden-Württemberg) könnte bald ein Opfer dieser Entwicklung werden.

Radikaler Schritt

Es ist erst einige Wochen her, da präsentierte die Stadt Ellwangen dem Gemeinderat aktuelle Hochrechnungen. Demnach fehlen der rund 25.000 Bürger zählenden Stadt in den nächsten drei Jahren gut 14 Millionen Euro. Drastische Sparmaßnahmen, vielleicht auch Steuererhöhungen – um solche Maßnahmen kommt die Stadt nicht herum. Das vermeldete die Stuttgarter Zeitung dann am 11. Mai.

Meldungen wie diese mehren sich seit einiger Zeit. Dass die Stadt Ellwangen nun Wege aus der Krise sucht und unter anderem über Einsparungen vor allem im Kultursektor nachdenkt, auch das ist keine neue Strategie. Vom Hallenbad ist die Rede oder von der Stadtbibliothek. Eine neue Qualität erreicht diese Entwicklung aber im Falle des Alamannenmuseums. Für das Haus ist nicht nur von Einsparungen die Rede. Auch ein völliger Verzicht auf das in kommunalem Besitz befindliche Museum wird diskutiert. Das wäre ein radikaler Schritt, dessen Folgen für die Museumslandschaft, aber auch letztlich für den Tourismus im Ostalbkreis kaum abzusehen sind.

Die Diskussion in der Ellwanger Stadtpolitik ist eröffnet; voraussichtlich im Juli soll eine Entscheidung fallen. Darüber, wie die Stadt ihren drückenden Schuldenberg abbauen will. Und welche Rolle dabei das Museum spielen soll. Im Gemeinderat hat die Fraktion der Freien Bürger ihr Votum bereits zugunsten einer Schließung abgegeben, notierte die Lokalausgabe der Schwäbischen Zeitung am 18. Mai. „Das wäre dann schon ein Drittel des Gemeinderats“, sagt Andreas Gut, Chef des Alamannenmuseums, auf chronico-Anfrage. Auch die SPD scheint eher bei Kultureinrichtungen wie eben dem Museum Abstriche machen zu wollen, um beispielsweise keine höheren Kindergartengebühren in Kauf nehmen zu müssen. Wie der Beschluss im Gemeinderat letztendlich ausfällt, steht aber noch nicht fest. „Es wird sehr knapp für uns“, fasst Gut den Ist-Zustand zusammen.

Nur eine Kostenfrage?

Was könnte ein Verzicht auf das Museum bringen? Für 2010 schätzt Museumsleiter Gut die Kosten auf rund 245.000 Euro, davon sind 142.000 Euro Personalkosten. Rund 73.000 Euro kann das Museum selbst erwirtschaften. Der Rest ist das, was die Stadt zahlen muss – und was so mancher Stadtpolitiker einsparen möchte.

Der Museumschef hofft, dass bei allem Sparzwang auch die andere Seite des Hauses ihren Niederschlag in der Debatte finden wird. Da wäre zunächst das Gebäude selbst. 2001 eröffnete Ellwangen sein Alamannenmuseum im Gebäude der mittelalterlichen Nikolauspflege. Mit Millionenaufwand wurde damals das Haus hergerichtet. Auch mit Zuschüssen vom Land. Und die sind an einen mindestens zehnjährigen Betrieb gekoppelt. Um keine Rückzahlungen leisten zu müssen, könnte Ellwangen das Haus demnach frühestens 2011 schließen, notierte jüngst die Stuttgarter Zeitung.

Im Schnitt kommen jährlich rund 10.000 Besucher ins Alamannenmuseum. „Das hatten wir anfangs auch in etwa so geplant“, betont Gut. Dieser Besucherstrom fiele weg, Ellwangen und der Ostalbkreis würden um eine Attraktion ärmer. Eine, die sich ganz hervorragend in die reiche Kulturlandschaft einfügt, wie Heidrun Heckmann findet. Sie ist Museumsreferentin des Kreises, organisiert Museumstage und ist Limeskoordinatorin. „In unserem Kreis gibt es archäologisch wichtige Museen. Dazu gehört auch das Alamannenmuseum. Eine Schließung würde eine große Lücke reißen“, warnt Heckmann.

Museum hat festen Platz

Dass der Ostalbkreis rund 50 Museen aufweist, ist zunächst einmal nur eine Zahl, wenn auch eine beachtliche. Heimatmuseen und Galerien gehören dazu. Aber überregionale Bedeutung haben vor allem das Limesmuseum Aalen und überhaupt die römischen Stätten am Obergermanisch-Rätischen Limes, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen. In die auch nach wie vor investiert wird. So soll das Limestor Dalkingen für rund 1,9 Millionen Euro bald einen Schutzbau bekommen. Das wie ein Triumphbogen anmutende Tor entstand im 3. Jahrhundert unter Kaiser Caracalla im Zusammenhang mit Feldzügen gegen Germanen. Umstritten ist die Theorie, dass es sich dabei um alamannische Verbände handelte.

Auch mit einem Ausstellungshaus rund um die Steinzeit wartet der Ostalbkreis auf. Und in Bopfingen, wo entsprechende Funde lagern, plant man ein neues Keltenmuseum. Diese Dichte aus Kulturdenkmälern unterschiedlicher Epochen dürfte auch touristisch durchaus eine große Bedeutung haben. Hierbei spielt das Alamannenmuseum ebenfalls seine Rolle. Wenn die Ellwanger es nur ließen.

In der Region regt sich Widerstand gegen die Schließungspläne. Die Schwäbische Zeitung startete eigens eine Unterschriftenaktion im Internet. Der wissenschaftliche Beirat des Museums bereitet eine Resolution vor. Gut möglich, dass der Gemeinderat keinen völligen Verzicht, sondern kräftige Einsparungen verordnet. Auch diese Alternative mag sich Museumschef Gut kaum vorstellen. Er arbeitet ohnehin personell im Grenzbereich. „Manchmal ist es hier wie in einem Ein-Mann-Museum“, sagt er. Jede Beschneidung des Budgets hätte gravierende Wirkung auf Ausstellungskonzept und Veranstaltungsmanagement. Aber ob das Land nun helfend eingreift oder sich ein unabhängiger Trägerverein gründet und der Stadt das Haus abnimmt – „dazu hat erst einmal die Stadt das Wort“, sagt Heckmann.

Alamannische Lebenswelten

Der Grund für den Bau des Museums liegt einige Kilometer entfernt bei Lauchheim. Forscher legten dort über 19 Jahre hinweg einen großen alemannischen Friedhof samt zugehöriger Siedlung frei. Viele der freigelegten Funde – Reste aus Wohnhäusern und von Grabbeigaben – sollten daraufhin in einem eigens geplanten Museum ausgestellt werden. Der vorgesehene Standort war zunächst eine Burg bei Lauchheim. Für die gab es aber andere Pläne. Ellwangen rückte als nächstgelegene Stadt ins Blickfeld. Der einstige Bürgermeister war Geschichtsfan, in Ellwangen gab es einen rührigen Geschichtsverein. Als sich dann auch das Land an den Baukosten beteiligte, war die Sache klar. Im September 2001 eröffnete das Alamannenmuseum.

Rund 1000 Objekte sind dort ausgestellt, davon stammen etwa 60 Prozent aus Lauchheimer Grabungen. Objekte aus der ganzen Region, darunter Leihgaben vom Land, vervollständigen die Sammlung. Sie zeichnet mit den Originalstücken, mit Rekonstruktionen spätantiker Lebenssituationen und interaktiven Medien die über Jahrhunderte dauernde Geschichte der Alamannen nach. Von der Völkerwanderungszeit bis weit in die Ära der Merowinger reicht der Bogen. Was mit all den Stücken passiert, sollte das Museum tatsächlich schließen, weiß niemand so recht. Ob sich dafür Platz in den größeren Geschichtsmuseen Baden-Württembergs findet, daran zweifelt Museumsleiter Gut. Im schlimmsten Fall landeten sie im Depot.

Mit Andreas Gut holte die Gemeinde einen Archäologen als Museumsleiter. Nicht nur Verwaltung der Objekte, auch Auswertung und gute Präsentation waren als Ziele für das Museum festgelegt. Und Gut ist kein Fan von reinen Vitrinenschauen. Auch der Living History räumte er breiten Raum ein. Darsteller kamen seit jeher zum Museum. Als regelrechte Stammbelegschaft haben sich die „Raetovarier“ erwiesen. Die Gruppe aus dem Ostalbkreis hat sich alemannischen Lebenswelten verschrieben.

Die drohende Schließung bezeichnet „Raetovarier“-Sprecher Stefan Müller als „Trauerspiel“. Er habe durchaus Verständnis für die finanziellen Belange einer Kommune. „Aber gerade ein solches Museum, dessen wertvollen Exponate einzigartig und für die kulturelle Landschaft von unschätzbaren Wert sind, zu schließen, ist für uns nicht nachvollziehbar.“ Zum Erbe der Region gehörten eben nicht nur römische, keltische oder mittelalterliche Bezüge. Gerade die Alamannen hätten hier eine wichtige Rolle gespielt. In diesem Sinne erfülle das Museum eine wichtige Bildungsfunktion. Müller sieht zudem Potenzial für mehr Publikum, und damit auch für mehr Einnahmen. Die Bewerbung des Hauses und die Ausschilderung zum Museum seien verbesserungswürdig. „Vielleicht sollte der Tourismusverband der Stadt gerade hier einmal ansetzen, um die gewünschten Besucherzahlen der Stadt zu erhöhen.“

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5 Kommentare

  1. Unfassbar!Weshalb wird in unserem Land,immer an der falschen Stelle gespart?Alles was mit Bildung zu tun hat muß anscheinend leiden.Zum Krieg spielen und anderer Länder Probleme,dafür ist genug Geld vorhanden.Schämt euch was!!!

    21. Mai 2010, 15:05 Uhr • Melden?
    von Thomas
    1
  2. Unfassbar in der Tat.
    Vielleicht sollte man das Museum in eine Bank, die risikoreiche Abzockergeschäfte macht umwandeln. Dann wären ganz sicher genug Steuergelder da.
    Hat die Politik soviel Angst vorm mündigen, gebildeten Bürger, dass sie jede erdenkliche Möglichkeit zur Bildung kategorisch zusammen streicht?

    21. Mai 2010, 21:05 Uhr • Melden?
    von Norbert
    2
  3. SPD und Freie Bürger haben Angst um ihre Pfründe und wollen nur ihren inneren “R….sp….g”. Etwas anderes kann’s ja nicht sein, denn warum sonst muß Herr Gut seinen Maulkorb hinnehmen? Und gerade so ein Museum schließen zu wollen ist eine kulturpolitische Schande, denn das Museum nimmt ja nicht nur wegen der hervorragenden Stellung die es inzwischen innehat etwa ein Drittel der Kosten selber ein, sondern bringt der Stadt ja auch noch durch die extra für das Museum anreisende Touristen in die Stadt. Was meinen denn die “Freien Bürger” inklusive der “SPD” was die machen? Nur im Museum Geld ausgeben? Aber Norbert hat schon Recht, macht’s doch aus dem Museum eine Bankoder eine Spielbank. Für so etwas wäre dann wirklich genug Geld da und die paar tausend Touristen gehen dan zwecks kulturellem Interesse eben in andere Städte und Museen, auch in solche die eh schon reicheer sind.

    16. Juli 2010, 12:07 Uhr • Melden?
    von Guenther Krause
    3
  4. Also was kam jetzt raus? Irgendwie fehlen neue Informationen.

    30. August 2010, 16:08 Uhr • Melden?
    von Anna
    4
  5. @Anna
    Soweit ich weiß, ist noch nichts in trockenen Tüchern, auch noch nicht viel endgültig entschieden. Dafür mag auch das Interview der Schwäbischen Post mit Ellwangens OB herhalten

    Viel steht da nicht, aber eben der Hinweis auf etwaige Kürzungen / Schließung ist noch vorhanden.

    01. September 2010, 09:09 Uhr • Melden?
    von Marcel Schwarzenberger
    chronico
    5

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