Geschichtspark Bärnau Und sie bauten eine Burg

Mitmach-Museum: Freiwillige können sich am Aufbau der Anlagen nach mittelalterlichem Vorbild beteiligen. © Torsten Kreutzfeldt

Er ist ein Mitmach-Museum, der Geschichtspark Bärnau-Tachov in Bayern. Ottonendarsteller und andere Akteure haben die gerade im Entstehen befindliche Anlage in Augenschein genommen.

Living History ist eingeplant

Ganz nahe an der tschechischen Grenze liegt der Geschichtspark Bärnau-Tachov. Über die Autobahn 93 ist er sehr gut von Süden und auch von Norden her erreichbar. Nürnberg liegt etwa 140 km, Leipzig 250 km entfernt. Seit einem Jahr verfolgen wir die Entwicklung des Geländes und konnten zum „Tag des offenen Denkmals“ 2011 dort ein kleines Treffen von Ottonendarstellern abhalten.

Das 6,5 Hektar große Gelände verdient den Namen Geschichtspark zu Recht. Noch ist vieles im Entstehen. Aber was bereits vorgefunden wird, übertrifft, zumindest was mich anlangt, die Erwartungen.

„Neue Mittelaltermuseen braucht das Land?“, kommt mir frei nach Ina Deters Lied in den Sinn. Denn ohne große Recherche fallen mir ein: Die Turmhügelburg bei Lütjenburg, die Häuser in Haithabu, das Mittelalterhaus Nienover, die geplante Klosterstadt in Meßkirch am Bodensee, der geplante karolingische Herrenhof Lauresham in Lorsch und der Geschichtspark Bärnau-Tachov. Bald weiß man als Darsteller nicht mehr, wo man zuerst hinfahren soll. (Pläne für Anlagen in Deutschland gibt es noch mehr. Zu den verwirklichten zählt auch die Bachritterburg in Kanzach / Anmerk. d. Red.)

Living History ist ein wichtiges Element in dem Freilichtmuseum in Bärnau. © Torsten Kreutzfeldt

Da ist es umso besser, dass die Einrichtungen genau schauen, ob der Darsteller auch in der richtigen Zeit oder Kultur lebt. Die von großen Gruppen oder Gruppennetzwerken seit Jahren verwendeten „Kitguides“ oder Bekleidungsratgeber werden aus diesem Grunde auch von Museen verwendet. Geschichtsdarstellung (Living History oder Reenactment) sollen in diesen neuen Einrichtungen oder Geländen groß geschrieben werden, sind Teil des Konzeptes oder tragen mit zur Errichtung bei (in Meßkirch oder auch teilweise in Bärnau).

Die für Bärnau entwickelten Bekleidungsführer für den Frühmittelalterbereich liegen mir vor, sollen hier aber nicht Thema sein. Ich möchte damit aber klarstellen, dass ich diese Entwicklung begrüße. Allerdings soll damit der engagierte Darsteller nicht eigener Recherchearbeit enthoben sein. Im Gegenteil!

Ottonischer Spaziergang

Ich kam mit den Ottonen aus dem Darstellerverbund „Die Ottonenzeit“ nach Bärnau. Einige von uns waren bereits mehrere Male hier. Die Augsburger Sektion plant sogar, sich hier ein eigenes Häuschen zu bauen. Was das heißt, dazu komme ich noch später. Es ist möglich, die Häuser des Parks zu bewohnen, dort zu schlafen oder auf einem zugewiesenen Platz, der leider in einer feuchten Senke liegt, ein Zelt aufzuschlagen. Wir sind als Ottonen in ein slawisches Grenzdorf des 10. Jahrhunderts gezogen. Das ist zumindest nicht so abwegig.

Der Geschichtspark Bärnau-Tachov ist eine großzügig geschnittene Anlage. © Torsten Kreutzfeldt

Der Geschichtspark Bärnau-Tachov ist wirklich ein Park. Die einzigen Schilder mit Erklärmaterial befinden sich am Eingang vor dem monumentalen Info- und Dokumentationszentrum, der auch Toiletten und Duschen beherbergt, sowie Kasse und Museumsladen. Letzterer verfügt übrigens über ausgezeichnete Utensilien für die Erstausstattung eines Darstellers, die selbstverständlich alle käuflich zu erwerben sind.

Nicht nur die Gebäude des Zentrums sind groß, sondern auch das Gelände ringsum. Hier ist laut Stefan Wolters, dem wissenschaftlichen Leiters des Geschichtsparks, Platz für das, was er das „unerlässliche Eventmittelalter“ nennt, also Markt, Musik und Gastronomie. Vom eigentlichen Geschichtspark ist dieser Bereich hübsch abgetrennt durch einen hohen Holzzaun, der rustikal genug aussieht, um das Bild nicht zu stören. Wolters meint, auch das „Eventmittelalter“ gehört dazu, aber wenn man sich von seinem Platz als Darsteller nicht fortbewegt (oder fortbewegen kann), bekommt man davon auch gar nichts mit.

Da ich schon in meiner „Klamotte“ stecke, bewege ich mich also hinein in den Park. Da er direkt am Ortsrand liegt, befindet sich vorne das Mittelalter, aber schaut man zurück, nunja, da ist das 21. Jahrhundert. Es gibt Besucherstimmen, die den Anblick von Häusern mit Sonnenkollektoren, Scheunen und Kirche als störend empfunden haben. Aber muss man immer zurückschauen im Leben?

Blenden wir deswegen die Umgebung aus: Was mich sofort vom Gelände eingenommen hat, ist die Geländegestaltung mit Bächen, Wassergräben und zwei kleinen Teichen. Sehr romantisch angelegt ist das alles, ein „Wörlitz“ für Mittelalterinteressierte. Auf dem größeren Teich soll bald ein Einbaum seine Kreise ziehen (das Boot wurde jüngst zu Wasser gelassen; Anmerk. die Red.). Die Wasserläufe trennen die einzelnen Bereiche ab, z. B. bildet der größere Teich die Grenze zwischen der Motte und dem Hochmittelalterbereich, der momentan erst aus einem Haus besteht. Die Motte wiederum ist durch Bach und Wassergräben fein vom Frühmittelalterdorf geschieden.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich als Ottone einen Blick in das bäuerliche Wohnhaus des 12./13. Jahrhunderts werfen darf. Doch diesen Schritt wage ich einfach, denn die „Bewohner aus meiner Zukunft“ sind nett. Auch dieses Haus ist noch im Bau. Es sind noch Lehmarbeiten auszuführen und vorhandene Risse auszustopfen. Dennoch beeindruckt die Liebe zum Detail bereits. Ich kann an dieser Stelle einstreuen, dass laut Wolters „die Häuser ausnahmslos in Originalmaterial und Originaltechniken errichtet werden, jedoch ca. zu zwei Dritteln mit modernen Werkzeugen (aus Zeit und Effizienzgründen) und zu einem Drittel in Museumsaktionen im Mittelalterkostüm mit Originalgerät“. Hier sind als Mitmach-Möglichkeiten für die Szene!

Die Motte ist eines der jüngsten Bauprojekte in Bärnau. © Torsten Kreutzfeldt

Da ich das Gelände vom oben überblicken möchte, gehen wir jetzt hinüber zur Turmhügelburg, der Motte. Das ist ein Kletter- und Spielturm für die Militärs unter den Darstellern. Am „Tag des offenen Denkmals“ stand oben auf dem Turm stets ein Akteur in Kettenhemd, Helm und Lanze und hielt tapfer Wache. Die Sonne spiegelte sich gleißend auf seinem Helm und er ließ sich brav fotografieren.

Vorbild für die Rekonstruktion war der Teppich von Bayeux. Deswegen befinden wir uns in diesem Bereich in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Ottonen haben hier also nichts zu suchen. Wir haben zwar in Querfurt und wohl auch Zörbig runde Steintürme in sogenannten Burgwardhauptorten nachgewiesen, aber leider keine Motten. Gehen wir also schnell wieder, bevor uns die Wache entdeckt!

Wie ich bereits erwähnte, gibt es keine Erklär- und Schautafeln im Gelände selbst. Der Besucher wird aber mit einem ausgezeichneten Übersichtsplan ausgestattet, in dem das Konzept des Parks und die einzelnen Hausrekonstruktionen erklärt werden. Dort steht alles Notwendige und kann direkt vor Ort nachgelesen und verglichen werden. Ich denke, dass dies für ein Freilichtmuseum dieser Art ein guter Weg ist, dass Bild stimmig zu erhalten und den Besucher dennoch mit den wichtigsten Informationen zu versorgen. Darüber hinaus, zum Beispiel zu den Hintergründen der Rekonstruktionen, könnte im Museumshop aber noch eine ausführlichere Publikation angeboten werden. So umsichtig wie ich Stefan Wolters kennengelernt habe, ist die bestimmt schon in Planung.

Der Bach wird auf einer weiteren kleinen Brücke überschritten. Wir befinden uns jetzt in der „Baugruppe Frühmittelalter“. So könnte ungefähr ein slawisches Dorf im Grenzbereich zwischen Reich und Böhmen vom 8. bis 10. Jahrhundert ausgesehen haben: Flechtwandhaus, Grubenhaus, Pfostenhaus, Blockhaus und ein Lehmofenunterstand sorgen für Vielfalt. Archäologische Fundbelege aus der Umgebung dienten als Vorbilder. Innerhalb des Dorfes kamen wir Besucher aus dem Ottonenreich im etwas komfortableren Blockhaus unter. Angehobener Fußboden, unser Pfostenbett und die Pingsdorfer Ware verbreiteten den im Übersichtsplan angesprochenen Eindruck, dass hier reichere Dorfbewohner gelebt haben.

„Ich habe das hier verbrochen…“

Zu dem Konzept des Geschichtsparks gehört, dass im Gelände ständig gebaut und gelebt wird. Dem gingen natürlich zahlreiche Planungen, Genehmigungsverfahren und Bürokratiebewältigung voraus – diese Vorbereitungsphase war 2010 weitgehend abgeschlossen. Seit diesem Frühjahr „wachsen die Häuser wie Pilze aus dem Boden“, wie Wolters beschreibt. Ein bereits entstehender Stamm von Darstellern übernimmt Patenschaft für vorhandene und entstehende Häuser, natürlich passend zu der von ihnen dargestellten Zeit.

So jung das Museum auch ist; es kann in einigen Häusern schon gewohnt werden. © Torsten Kreutzfeldt

Die Darsteller bauen gemeinsam an noch zu errichtenden Rekonstruktionen, fast so wie in einer mittelalterlichen Dorfgemeinschaft. Die „archäologische Bauaufsicht“ ist durch den Geschichtsparkarchäologen Stefan Wolters gegeben, der sich wiederum nach eigenen Angaben einer freiwilligen „Evaluierung durch einen wissenschaftlichen Beirat unterzieht, der sich aus Landesämtern, Museumsstellen und Universitäten rekrutiert.“

Wolters, der Park, Team und Darstellergruppen sehr gelassen und kompetent betreut, stellte sich mir den Worten vor: „Hallo, ich bin der, der das hier verbrochen hat.“ Wenn das nicht mal „lebenslänglich“ bedeutet! Bevor das Urteil aber verkündet wird, ihm ganz herzlichen Dank für die Momentaufnahme in dieses sehr hoffnungsvolle Projekt, dem wir sehr viele Besucher wünschen. Der gut besuchte „Tag des offenen Denkmals“, den wir mitgestalten durften, war bereits ein guter Start.

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2 Kommentare

  1. Hallo,dein Bericht ist gut!Ich möchte nur eine kleine korrektur anbringen.Den Geschichtspark Bärnau baut der Verein Via Carolina Bärnau.Zu diesem Zweck haben wir mit Herrn Wolters einen Arbeitsvertrag abgeschlossen der bis zum
    Ende der Bauphase läuft.Dieses Projekt wurde von niemand anderem als von diesem Verein in Jahrelanger Arbeit(verbrochen) vorbereitet und durchgeführt.

    Nichts für ungut
    Josef Zant

    29. Dezember 2011, 20:12 Uhr • Melden?
    von Zant Josef
    1
  2. An Neujahr 2013 zeigt der Bayerische Rundfunk eine Reportage über den Geschichtspark in Bärnau:

    http://chronico.de/kalender/fernsehtipps/baernau-die-zukunft-liegt-im-mittelalter/

    26. Dezember 2012, 12:12 Uhr • Melden?
    von Daniel Schunk
    chronico
    2

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