Burgen Burg mit Badezimmer gefällig?

Ein Dansker ist eine sehr sinnige Erfindung, zu besichtigen meist in Ordensburgen. Und sicher nützlicher als die Orangerie, die oft Teil eines Schlosses war und tatsächlich etwas mit Orangen und anderen Südfrüchten zu tun hatte. Wer diese Begriffe schon immer mal nachschlagen wollte und sich immer wieder mal fragt, was es mit der Lünette, dem Pilaster oder dem Refugium eigentlich auf sich hat, für den gibt es jetzt das von Reclam frisch aufgelegte Wörterbuch rund um Burgen, Schlösser und Festungen.

Um es vorweg zu nehmen: Das Büchlein sei jedem interessierten Laien ans Herz gelegt, der bei Besichtigungstouren mehr wissen will als sich den gemeinhin sehr rudimentären Erklärungen auf Hinweisschildchen oder in Broschüren entnehmen lässt. Das Taschenbuchformat macht das Wörterbuch zu einem angenehmen Reisebegleiter, strapazierfähig durch die Ausführung als Hardcover. An den Reisenden, der die Welt der Burgen und Schlösser erfahren will, wenden sich die Herausgeber vor allem.
In mehr als 300 Einträgen machen die Autoren – allesamt Fachleute aus den Bereichen Archäologie, Architektur und Geschichte – mit der Fachsprache vertraut und erklären die wichtigsten Begriffe (von Abort bis Zwinger). Die Benennung ausgewählter Beispiele, häufig sehr bekannte Anlagen, erleichtern die Einordnung.
Einen ausgezeichneten Überblick über die Entwicklung im Bauprogramm vom Mittelalter bis in die Neuzeit bietet ein einleitender Essay. Knapp, aber ausreichend, so zeichnen die Autoren den steten Wandel nach. Ausgehend von den großflächigen Burgen des frühen Mittelalters, die teils bis zu 17 Hektar Grundfläche umfassen konnten, bekommt der Leser eine ausgezeichnete Analyse geliefert. Schon weil das heute geläufige Bild von einer Burg von den klassischen Anlagen des 12./13. Jhs. geprägt ist, deren Ruinen noch zu bewundern sind, ist eine solche Betrachtung unumgänglich. Von den Frühformen weiß man hauptsächlich durch archäologische Grabungen.
Ursprünglich war der Burgenbau ein königliches Privileg (Regalien), doch schon in karolingisch-ottonischer Zeit unterwanderten reiche Adelsfamilien dieses Privileg und schafften sich eigene Anlagen an. In aller Deutlichkeit machen die Autoren die zahlreichen Funktionen einer Burg klar, von denen eine die wichtigste war: die Sicherung der Grundherrschaft über ein Territorium. Neben den Fachbegriffen aus der Architektur kommt entsprechend auch der gesellschaftliche Faktor im Lexikonteil und in der Einführung zum Tragen. Wer weiß schon, dass auch reiche Bürger sich bereits im 14. Jh. mit Burganlagen ausstatten konnten.
Dem Niedergang der Burgen – durch Verarmung des Ritterstandes und dem Aufkommen der Feuerwaffen ab Ende des 14. Jhs. – folgt die Phase der Schlösser (als repräsentative Wohnsitze des Adels) und der Festungen, die die Wehrfunktion übernahmen. Den Unterschied zwischen Burg und Schloss kennt allerdings vor allem der deutsche Sprachraum. Auch ist die Abgrenzung nicht immer klar. Und wieder gehen die Autoren vor allem auf die vielfältigen Funktionen einer solchen Anlage ein, um den Begriff einzukreisen. Demnach adelt die Tatsache, dass eine herrschaftliche Anlage Sitz eines Landesherrn ist, diesen zum Schloss, während die repräsentativen Anwesen des Adels im Allgemeinen als Rittersitz oder Herrenhaus bezeichnet wird. Ein feiner Unterschied, der auch im städtischen Bereich gemacht wird. Unterhält der Landesherr dort seinen Palast (Stadtschloss), nennt die gemeine Adelsfamilie ein Stadtpalais ihr eigen, während der reiche Bürger eine Villa bewohnt.
Mit einem Abschnitt zum nachmittelalterlichen Festungsbau, der aus der zunehmenden Verwendung von Feuerwaffen resultierte, beschließen die Autoren das Kapitel der wehrtechnischen Architektur. Diese Anlagen waren ein System von Werken, die durch die jeweils möglichen Schussbahnen der angreifenden Artillerie geprägt wurden. In der Betrachtung wird neben der Würdigung der Kreativität der Festungsbaumeister auch nicht mit Kritik gespart. Tatsächlich ist unter Wissenschaftlern der wahre Nutzen solcher Anlagen umstritten.
Im Detail liegt, wie immer, die eigentliche Würze. Und so wird es den einen oder anderen Leser mehr interessieren, welche hygienischen Bedingungen auf Burgen herrschten, denn der militärische Schutz. So mag es für Darsteller des Hochmittelalters tröstlich sein, dass Badestuben auf Burgen mindestens für das späte 11. Jh. belegt sind, während ihre Verbreitung etwa im 16. Jh. in den Schlössern abnimmt. Erst ab der Mitte des 17. Jhs. fand diese löbliche Einrichtung auf den Adelssitzen wieder verstärkt ihre Anhängerschaft. Übrigens: Auch der eingangs erwähnte Dansker hat etwas mit Hygiene zu tun.

Horst Wolfgang Böhme, Reinhard Friedrich, Barbara Schock-Werner (Hrsg.), in Verbindung mit dem Europäischen Burgeninstitut; Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen; 285 Seiten; 15,90 Euro; Reclam Verlag; Stuttgart; 2004; ISBN 3-15-010547-1

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