Templer Jenseits der Legende

Für das Volk war es der Beginn der bürgerlichen Revolution, für ihn war es das Ende. Der König der Franzosen, Ludwig XVI., bestieg am 21. Januar 1793 das Schafott auf dem Place de la Concorde in Paris. Als sein Kopf in den vorbereiteten Korb rollte, soll ein Zuschauer gerufen haben: „Jaques de Molay, du bist gerächt!“. Jakob von Molay war der letzte Großmeister des Templerordens. Ludwigs Vorfahr, Philipp der Schöne, hatte einen Prozess gegen den Orden angestrengt, der mit dessen Untergang und dem Feuertod Molays im Jahr 1314 endete. Doch damit begann erst die Geschichte der Legenden des Ordens.

Der Historiker Alain Demurger widmet sich in seinem Buch „Die Templer“ der eigentlichen Geschichte. Um es vorweg zu nehmen: Sein Buch endet im 14. Jahrhundert. Demurger begeht nicht den Fehler, die „Pseudogeschichte des Ordens“, wie er selbst formuliert, zu beschreiben. Die Templer sind bis heute gut für jede Art von Verschwörungstheorie. Hauptthema ist dabei das „Überleben“ des Ordens in Form von Geheimgesellschaften wie den Freimaurern. Und Jakob von Molay soll vor seinem Tod noch die Gelegenheit gehabt haben, sein angeblichen Geheimnisse an einen Vertrauten weiterzugeben. „Der untergegangene Orden scheint einen genügend breiten Rücken zu haben, um einander widersprechende Erbschaften zu tragen“, schreibt Demurger. Sowohl christliches wie antichristliches Bestreben ist den Templern angedichtet worden. Ein Tummelfeld, auf dem Demurger nicht mitmischt.

Den Leser erwartet vielmehr eine ausführliche Dokumentation der Zeit zwischen der Ordensgründung 1120 und dem Prozess. Aus jener Zeit stammen genügend farbige Legenden und Bruchstücke von Erinnerungen, die der Autor in den populärwissenschaftlich geschriebenen Bericht einfügt. Die Aktenlage lässt durchaus Raum für Interpretationen, die Demurger jedoch nach wissenschaftlichen Regeln liefert.

Der Prozess des Königs war ein politischer Prozess. Um diese Aussage herum schichtet Demurger seine Argumente. Der Orden war ein Spielball im Machtkampf zwischen dem König und Papst Clemens V., der schließlich seine schützende Hand von dem ersten geistlichen Ritterorden der Geschichte zog. Demurger sucht nach Hintergründen und stellt die Frage “Warum die Templer?”. Die Anklagen bezogen sich auf das Verhalten einzelner Ritter: auf Ausschweifungen, Homosexualität, Stolz.

Ernster waren die Anklagen wegen religiöser Praktiken, etwa das Bespucken des Kreuzes. Doch all dies lag nicht im Wesen des gesamten Ordens. Er war durch und durch ein katholischer Orden, wie Demurger nachweist. Selbst die engen Verbindungen zu den ketzerischen Katharern und den Sarazenen waren nicht so ungewöhnlich, dass ein solch strenger Prozess gerechtfertigt wäre.

Das Ende des 13. Jahrhunderts gilt unter Historikern als die Geburtsstunde des modernen Staates, datiert also auf die Regierungszeit Philipps des Schönen. Den modernen Staat wiederum charakterisiert die Souveränität. War der Templerorden also ein Opfer seines eigenen Erfolgs? In einer erstaunlichen Karriere haben es die Mönchsritter von einem kriegerischen Haufen, der die Pilger im Heiligen beschützen sollte, zu einer militärisch und vor allem wirtschaftlich wichtigen Organisation gebracht. Doch auch sie konnte die Vertreibung der abendländischen Kreuzritter aus dem Orient am Ende des 13. Jahrhunderts nicht verhindern. Letztlich stand der Orden damit ohne Aufgabe da – er musste sich notgedrungen mehr um europäische Belange kümmern. Kam er damit den französischen Monarchen in die Quere?

All diesen Fragen geht Demurger nach und zeichnet damit ein farbiges Bild der Zeit des Hochmittelalters. Er beschreibt die Anfänge und das Erstarken des Ordens, zeigt dem Leser die Funktionsweise der Organisation auf und begibt sich auf die Suche nach den Gründen für Erfolg und Scheitern der Templer. Ein unschätzbares Nachschlagewerk des 1939 geborenen Historikers, der bis 2001 den Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Paris leitete.

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1 Kommentare

  1. Frisch bei Beck nun erschienen:

    Demurger, Alain
    Der letzte Templer
    Leben und Sterben des Großmeisters Jacques de Molay
    2004. 390 Seiten. Leinen.
    EUR 24.90
    ISBN 3-406-52202-5

    Der Pressetext des Verlags:

    [z]Ritter, Tod und Teufel – der letzte Großmeister des Templerordens

    Wenn es in einer Rezension des Bestsellers Sakrileg von Dan Brown heißt, dieser Roman mache Lust „auf mehr Informationen zu den Templern sowie auf mehr historische Fakten“, so erfüllt Alain Demurgers Werk Der letzte Templer diesen Wunsch in idealer Weise. Seine spannende Biographie Jacques de Molays (um 1244–1314), des letzten Großmeisters des Templerordens, erschließt die legendenumrankte Welt einer der mächtigsten Organisationen des Mittelalters.

    Alain Demurger, international renommierter Mediävist und Fachmann für die Geschichte der Ritterorden, erzählt das wechselvolle, tragisch endende Leben des letzten Großmeisters der Tempelritter – Jacques de Molay. Er durchleuchtet zugleich das feingewobene Interessengeflecht, das die Handlungen seiner Gegenspieler – des französischen Königs Philipp des Schönen und des Papstes Clemens V. – bestimmte. Als der letzte Großmeister erkannt hatte, daß der habgierige König den Orden wegen seiner Macht und seines Reichtums zerschlagen und dessen Vermögen unter seine Kontrolle bringen wollte, war es zu spät. Er war nicht mehr in der Lage, den Strategien und Winkelzügen seiner Gegner wirksam zu begegnen. So erscheint der tapfere Jacques de Molay in dieser glänzend geschriebenen Biographie am Ende seiner Tage als tragische Gestalt und idealistischer Kämpfer für eine verlorenen Sache. Als er am 18. März 1314 auf Befehl Philipps in Paris verbrannt wird und noch auf dem Scheiterhaufen König und Papst verfluchte, war der Untergang der Templer längst vorherbestimmt. Doch während seine Gegner nach seinem Fluch innerhalb nur eines Jahres starben und weitgehend der Vergessenheit anheimfielen, blieb die Geschichte Jacques de Molays und des Ordens der Tempelritter bis in unsere Zeit lebendig.[/z]

    14. Dezember 2004, 22:12 Uhr • Melden?
    von Peter Peter Klein
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