Krimi-Geschichten Mörderisches um Hexen und Tüftler

Der bayerische Gmeiner Verlag hat sich der Welt der Kriminalgeschichten verschrieben. Hin und wieder legt er auch historische Stoffe auf. Sonja Heisrath hat sich zwei Romane vorgenommen.

Vom Aberglaube und der Braukunst

Im Krimi Verlag Gmeiner sind im Februar 2008 zwei unterhaltsame, historische Romane erschienen. „Die letzte Hexe – Maria Anna Schwegelin“ (spielt im 18. Jahrhundert) von Uwe Gardein und „Der Bierzauberer“ von Günther Thömmes, der wiederum ins 13. Jahrhundert entführt. Beide Romane strotzen vor Informationen über das mittelalterliche sowie neuzeitliche Deutschland – und den jeweils von den Autoren gewählten Schwerpunktthemen. All das wird dem Leser gut verständlich und locker vermittelt.

Beim „Bierzauberer“ ergänzen die gut recherchierten Informationen über Alltag und Bierbrauerei die Handlung sowie die geschichtlichen Hintergründe. Der Anhang und die Illustrationen komplettieren das Werk. Im Buch „Die letzte Hexe“ drängen der historische Rahmen und so manche Diskussion und Philosophiererei die eigentliche Handlung passagenweise für meinen Geschmack etwas zu sehr in den Hintergrund. Wären ein paar nebensächliche politische Ereignisse ebenfalls in einen Anhang gestellt worden, hätte dies der Handlung keinen Abbruch getan und sie etwas flüssiger werden lassen.

Die Hauptfiguren sind in beiden Romanen keine schillernden Romanhelden, sondern Menschen aus dem einfachen Volk. Einen besonderen Reiz bekommen die Romane durch ihr Lokalkolorit. Der „Bierzauberer“ hat z. B. unter anderem zur Zeit des Dombaus in Köln eine wichtige Station und weiß allerlei Interessantes darüber zu berichten.

In beiden Romanen sind die altdeutschen Ausdrücke nur so weit verwendet worden, dass sie den Lesefluss nicht behindern, sie aber dem Leser helfen, in die Atmosphäre der Zeit einzutauchen. Meiner Meinung nach sind beide Bücher für den mittelalterbegeisterten Leser sehr zu empfehlen. Sehr lehrreich auch für Anfänger in diesem Themenbereich. Mir persönlich aber gefiel der „Bierzauberer“ besser.

Die letzte Hexe

Memmingen in Schwaben, Ende des 18. Jahrhunderts. Unter fast unmenschlichen Bedingungen wird Maria Anna in armen Verhältnissen geboren. Sehr früh verwaist sie und gerät so an den Rand der Gesellschaft. Ihr Stand bringt Unwissen und gesellschaftliche Isolation mit sich, dadurch beginnt Maria Anna langsam, geistig zu verwahrlosen. Die Passagen, in denen ihre Gedanken beschrieben werden, werden immer wirrer, so dass der Leser die Entwicklung fast nachempfinden kann. Sie wird misshandelt, verfolgt und missbraucht. Um das für sich zu verstehen, flüchtet sie sich in sich selbst, erdenkt sich ihre eigenen Erklärungen, lebt in ihrer eigenen Welt. Als sie feststellt, dass man Abstand von ihr hält, wenn sie vom Teufel erzählt, benutzt sie dies, um in Frieden gelassen zu werden. Wird der Leidensdruck zu hoch, verschwimmen ihre Grenzen von Teufelsgeschichten und Tod mit der Wahrheit.

Am Ende werden ihr ihre widersprüchlichen Geständnisse unter der Folter aber zum Verhängnis. Obwohl seit 1684 die Hexenprozesse immer seltener wurden, wird Maria Anna Schwegelin am 11.4. 1775 als die letzte Hexe Deutschlands geköpft und verbrannt (nach anderer Überlieferung wurde das Urteil nie vollstreckt, und Maria Anna starb im Gefängnis; Anm. d. Red.).

Das Buch beschreibt mitreißend, wie auch politische Spielchen und Machenschaften dazu führen konnten, dass eine verwirrte junge Frau zum Spielball der Machthabenden und zu deren Zwecken hingerichtet wird. Ein zentrales Thema im Roman ist denn auch die Machtzunahme der weltlichen Herrschaften im Zusammenhang mit der Spaltung der christlichen Kirche. Auch die Unwissenheit des einfachen Volkes, und das Spiel der Mächtigen damit, greift der Autor auf. Diese Themen werden durch die Figur des Pater Emmeram, einen Gegner der Hexenverfolgung, im Roman zum Gegenstand von vielen Diskussionen. Und viele Brauchtümer, die z. T. bis heute überlebt haben, werden in diesem Roman erklärt.

Der Bierzauberer

Da gibt es einen Fund: Ein Buch aus dem 13. Jahrhundert enthält die Lebens- und Erfolgsgeschichte von Niklas, der sich später den Spitznamen der Bierzauberer verdient, und der großen Einfluss auf viele historisch wichtige Stationen aus der Geschichte des Bierbrauens hatte. 1248 wird Niklas als Sohn eines Bauern in Hahnfurt bei Nürnberg geboren. Schon als Kind entdeckt er seine Neigung zum Bierbrauen und nutzt jede Gelegenheit, möglichst viel darüber zu lernen. Er findet heraus, dass besonders in Klöstern viel Bier gebraut wird, und er schafft es, seinen Vater zu überreden, ihn in ein Kloster zu schicken. Für ihn als Erstgeborenen war das eine ungewöhnliche Entscheidung.

Hier beginnt seine erstaunliche Geschichte, die ihn quer durch Deutschland führt und am Ende sogar einmal in London Station machen lässt. Wie es sich für eine Kriminalgeschichte gehört, treibt ihn auch ein Mord durch die Handlung voran. Er – und somit auch der Leser – lernt so viel er kann über das Bierbrauen, neue Maschinen und Werkzeuge sowie die Zutaten, die dafür nötig sind. Der erste Bierautomat wird von Niklas erfunden, von dem im Buch eine Prinzipskizze abgebildet ist. Aber auch die Pest, die heilige Inquisition und die Gerichtsbarkeit werden thematisiert.

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