Gelehrter Überblick Ritterorden im Mittelalter

Prachtvolle Illustrationen schmücken das Buch. © MS

Endlich ein Übersichtswerk, das sich der Entwicklung der abendländischen Ritterorden vollständig annimmt. Verfasst von Fachautoren, die mit wissenschaftlicher Gründlichkeit die Organisationen von Templer, Johanniter und Co. untersuchten.

Die schillernde Welt der kriegerischen Mönche

Das Buch „Ritterorden im Mittelalter“, erschienen im Theiss Verlag, seziert das Wesen der so genannten „militärischen Geistlichkeit“, die da mitten im Hochmittelalter entstanden war. Nicht von ungefähr nahm der Prototyp des Ritterordens, die Templer nämlich, im Jahre 1120 seinen Anfang in Palästina. Im Gefolge des Ersten Kreuzzugs war das religiöse Geistesleben der abendländischen Welt komplett aufgewühlt. Dienen und Kämpfen – Mönchstum und Rittertum; genau diese Melange bot der Templerorden und erhielt aus dem Stand unglaublichen Zulauf und vor allem (finanziellen) Beistand der Mächtigen.
Weit mehr Fürsorge für die Mitmenschen (und das bis heute) legte der bald darauf gegründete Hospitaliterorden (Johanniter) in sein Konzept. Doch, wie die Autoren schreiben, mischten sich alsbald auch militärische Aspekte in das Ordensleben. Die frühe Basis der Ritterorden lag neunmal mitten in einem Kriegsgebiet, in Palästina. Als dann im späten 12. Jahrhundert der Deutsche Orden nachfolgte, war das große Trio der Rittermönch-Gemeinschaften komplett. Sie stellten das militärische Rückgrat der Kreuzfahrerstaaten.
Dass sich zahlreiche kleinere Orden nach dem Vorbild der großen Drei gründeten, ist manchem kaum bewusst. Und doch schillerte das Ordensleben in Palästina bald in den vielfältigsten Formen. Die europäischen Länder zogen nach. Auch diese Entwicklung zeichnen die Autoren nach – allesamt ausgewiesene Fachleute aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal und Malta.

Viel Platz für Details

In großzügig bemessenen Kapiteln widmet sich jeder Autor einem ganz bestimmten Gebiet. Natürlich machen die Geschichten der Templer und Johanniter den Anfang. Das Buch bleibt ein Übersichtswerk, dennoch dringen die Wissenschaftler tief genug in die Materie, um auch Laien das Innenleben eines Ordens vor Augen zu führen.
Detailliert werden Aufgaben, Ziele, Regeln, Erfolge und Niederlagen (natürlich aus Sicht des jeweiligen Ordens) sowie Machtausbau und Finanzstruktur beschrieben. Letzteres machte ja einen wesentlichen Erfolg des Templerordens aus. Seine Machtfülle bedeutete aber auch politische Konkurrenz, dem der Orden im 14. Jahrhundert erlag. Dankenswerterweise verschwenden die Autoren keine Zeile an irgendwelche esoterisch gefärbten Legenden zum angeblichen Nachleben des Ordens.
Viel Platz bekommen auch der Deutsche Orden sowie die monastischen Rittergemeinschaften in Spanien und Portugal. Und das Buch räumt auch mit Legenden auf, die etwa den angeblichen Ritterorden vom Heiligen Grab umranken. Fälschlich wurde diese Gemeinschaft bei zeitgenössischen und sehr gegenwärtigen Chronisten als kriegerischer Orden bezeichnet. Er war ein Orden regulierter Kanoniker – also Geistlicher. Das Buch gibt Antworten, so gründlich es die 240 Seiten eben zulassen. Und das zeichnet das Werk aus. Einerseits.

Etwas fürs Auge

Andererseits ist das Buch auch optisch ein Genuss. Die Illustrationsfreude der Grafiker lässt keinen Wunsch offen – Fotos von Burgen, Fundstücken und zeitgenössische Illustrationen inklusive. Fantastisch ist Kartenmaterial: verständlich, ausführlich und detailreich werden die Niederlassungen in Palästina, auf der iberischen Halbinsel, Frankreich, England und in Osteuropa aufgeführt.
Hintergrundkästen, die dem Haupttext beigestellt sind, vertiefen spezielle Themen, etwa mit Informationen zum Kreuzzugsgedanken im Hochmittelalter. Was leider fehlt, ist ein Stichwortverzeichnis sowie eine Komplettliste aller Ritterorden für den schnellen Überblick. Das Buch ist nicht billig, aber absolut empfehlenswert.

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