ensemble Peregrina Wenn Frauen die Gottesmutter verehren

Es darf geträumt werden. Ein okzitanischer Troubadour des 12. Jhs. – könnte er denn live dem „ensemble Peregrina“ lauschen – schlösse auch besser die Augen: Zu ungewohnt dürfte ihm die Interpretation der Mariendichtung seiner Zeit durch Frauen sein. Drei Damen sind es, die sich der Alten Musik verschrieben haben und im vorliegenden Album der Spiritualität eines ganzen Jahrhunderts völlig unbekümmert ihre Stimmen geben. Und was für welche.

Musik und Leidenschaft

Das Hochmittelalter erlebte einige Entwicklungen, die entscheidenden Einfluss auf die Musikgeschichte hatten. Die Minnedichtung auf der einen und eine geradezu leidenschaftliche Verehrung der Maria als Mutter Jesu auf der anderen Seite fanden notwendigerweise ihren Weg in die Musik. Maria war im 12. und 13. Jh. ein Kontrapunkt zur „sündigen Eva“ und galt zugleich als Heilsbringerin. Der Kirche nahestehende Persönlichkeiten widmeten ihr eigene Gesänge – etwa Hildegard von Bingen und Peter Abaelard. Doch wurde auch die Jungfräulichkeit an sich zunehmend ein Thema für die irdische Welt. Frauenverehrung (Minne) und dichterischer Dienst für die Gottesmutter verwoben sich und so erwuchs auch bei weltlichen Dichtern das Bedürfnis, ihre Verehrung auf musikalischem Weg Ausdruck zu verleihen.

Dem zunehmenden dichterischen und theologischen Interesse an Maria stand ein angewachsenes musiktheoretisches Repertoire gegenüber. Den vormals einstimmigen gregorianischen Gesängen hatte sich die Mehrstimmigkeit zugesellt. Seit Anfang des 11. Jhs. kamen mit einfachen Notenzeichen (Neumen) auch wichtige Arbeitsmittel hinzu, um Musik variantenreicher zu gestalten – und weiterzugeben. Starre Grenzen gab es nicht mehr, in Kirchen und an Minnehöfen konnte der Jubel zu Ehren Marias buchstäblich hinausgesungen werden. Dafür bieten die auf dem Album versammelten 14 Stücke einen umfangreichen Einblick.

Geistliches und Weltliches

Das Damen-Trio mischt Marienlieder, die sowohl weltlichen als auch geistlichen Ursprungs sind. Der Authentizität sind sie durch ihre gemeinsame Vergangenheit an der Schola Cantorum Basiliensis verbunden. Alle Mitglieder des 1997 gegründeten Ensembles studierten an der Baseler Musik-Akademie, die bereits seit 1933 als Forschungs- und Lehrinstitut für Alte Musik existiert. Als solches genießt die Schule heute einen weltweit einzigartigen Ruf als Bewahrerin originaler Musikkultur.
Diesem Anspruch wird auch das ensemble Peregrina gerecht. Dennoch – und das ist jedem Interpreten klar – sind Kompromisse stets notwendig.

Die Belege für die tatsächliche melodiöse Ausgestaltung eines Musikstückes sind für das Mittelalter sehr rar. Eine Tonaufnahme ist daher immer eine Interpretation und bloße Annäherung an das Original. Die rein weibliche Besetzung des Ensembles tut ein Übriges. Im weltlichen Bereich mag es seinerzeit Dichterinnen und Sängerinnen gegeben haben, wenn auch nur selten. Im kirchlichen Umfeld war das undenkbar. Der Schönheit der Lieder tut das aber keinen Abbruch. Im Gegenteil bekommt die Musik der Marienverehrung so einen ganz besonderen Zauber.

Es darf improvisiert werden. Und das tut das ensemble Peregrina mit Hingabe. Hin und wieder flechten sie im Originalen zweistimmigen Liedern noch eine dritte hinzu. Und sind ihre Stimmen meist auch das einzige Instrumentarium, so bietet zuweilen eine Harfe willkommene Unterstützung.
Fazit: Das Album ist ein wunderbares Hörerlebnis. Und es kommt in der vom Label Raumklang gewohnt hochwertigen Verpackung daher: gutes Design und – noch wichtiger – ausführliche Hintergrundinformationen im Booklet.

Artikel aus der Rubrik „Medien“

  • Mit „Zeitpiloten“ zu den Kelten

    Geschichte vermitteln und zugleich unterhalten – eine schwierige Kiste für Jugendbuchautoren. Der Baumhaus Verlag wagt sich mit der „Zeitpiloten“-Serie vor. Das ist nur zum Teil geglückt.

  • Das Zeitalter der Keltenfürsten

    Er ist Wissenschaftsjournalist, hat Vor- und Frühgeschichte studiert, schrieb über Kulturgeschichte und Neandertaler. Jetzt hat Martin Kuckenburg ein Keltenbuch vorgelegt. Simon Kahnert hat reingeschaut.

  • Zeitreisen in unsere Vergangenheit

    Weg von kostümierten Heimatforschern oder volkstümelnden „Germanen“ – hin zur seriösen Inszenierung von Geschichte: Die experimentelle Archäologie hat sich gewandelt. Wie sehr, zeigt das Buch „Lebendige Vergangenheit.“

  • Hinter den Kulissen einer Königin

    Hatte Elisabeth I. Zeit für die Liebe? Sie düpierte Spanien, festigte Englands Seemacht und regierte mit fester Hand. Als „Virgin Queen“ ging Elisabeth (1533-1603) in die Geschichte ein. Das Ensemble Pantagruel fragt nach.

Ihr Kommentar zum Artikel „Wenn Frauen die Gottesmutter verehren“


Sie sind angemeldet als

abmelden