Vermittlungsarbeit Gütesiegel für Zeitreisende

Dorstadt 2009: Bei Tempus Zeit erleben ist Publikumsarbeit angesagt; auch wenn kein Museum das Event organisiert. © Marcel Schwarzenberger

Braucht es verbindliche Qualitätsstandards für Living History in Museen? Wer soll sie aufstellen; wem nützen sie? Die Frage nach dem „Gütesiegel“ hat schon viele Gemüter erhitzt. Antworten könnte eine neue Tagung bringen.

Runder Tisch wird anberaumt

Um Qualitätsmanagement ging es schon 2008 bei einer Tagung im Freilichtmuseum Kiekeberg sowie 2009 beim 2. Waldkircher Museumsgespräch und der Tagung „Vermittlung von Vergangenheit“ im LVR-Landesmuseum Bonn. Museumsvertreter, Museumspädagogen, Agenturen und Akteure der Szene nahmen daran teil. Schlagworte wie Geschichts- und Museumstheater hatten einige Teilnehmer geprägt. Ein wissenschaftliches Fundament dafür erarbeitete eine Forschergruppe um den Freiburger Universitäts-Professor Wolfgang Hochbruck.

Hochbruck ist auch die treibende Kraft hinter der jetzt geplanten Tagung „Museumsgespräch zum Qualitätsmanagement in der Living History Presentation“. Sie findet am Sonntag, 27. März 2011 im Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof in Gutach statt. Jeder Interessierte kann an der Tagung teilnehmen (Anmeldedaten siehe Kasten). Vorschläge für Vorträge und Workshops nehmen die Organisatoren Hochbruck und der Leiter der Museumspädagogik in Gutach, Thomas Hafen, noch entgegen. Mitte März soll das Programm stehen.

Harte Überzeugungsarbeit

Ideen, Anmerkungen, „Best Practice“-Beispiele – die Tagungen und Symposien der vergangenen Jahre haben bereits viel Material produziert. Dazu beigetragen hat auch die Freiburger Forschergruppe “Historische Lebenswelten in populären Wissenskulturen der Gegenwart”. Von 2007 bis Oktober 2010 forschten Wissenschaftler aus unterschiedlichen Fachbereichen zu Themen wie „Geschichtsvermittlung“ und „Museumstheater“. Ein Augenmerk lag dabei auf der Inszenierung historischer Lebenswelten; sprich: in der Ausgestaltung von Living History. Sie sollte wissenschaftlichen Erkenntnissen der Geschichtswissenschaft, dem Qualitätsanspruch des Publikums und dem Vermittlungsauftrag der Museen entsprechen. So jedenfalls lautete eine Zielvorgabe der Freiburger.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Freiburger Gruppe. Deren Mitglieder haben ihre Erkenntnisse inzwischen auch in Büchern unter anderem beim Verlag transcript veröffentlicht – eine Auswahl stellen wir bei chronico demnächst vor.

Allerdings musste diese spezielle Forschungsarbeit einen Dämpfer hinnehmen. Der DFG strich im vorigen Herbst einen Teil der Fördermittel; Hochbruck und andere Mitglieder mussten aus dem Projekt aussteigen. Der Rest der Gruppe habe mit dem Qualitätsmanagement-Vorhaben nichts mehr zu tun, sagte Hochbruck. „Aber ich bleibe an der Diskussion dran“, betonte er. Die nun anstehende Tagung zeugt davon.

Hochbruck hat mit seinem Vorstoß zu einem verbindlichen Regelwerk viel Kritik seitens der Living-History-Szene einstecken müssen. Zu zersplittert mutet vielen „die Szene“ an, und zu vielfältig die Einsatzgebiete der Akteure, als dass ein Gremium allumfassende Standards aufstellen könnte. Wie sollte beispielsweise ein Experte für die Hansezeit die Darstellungsqualität von „Kelten“ und „Germanen“ beurteilen? Oder: Könnten die selben Fortbildungsrichtlinien sowohl für Archäotechniker mit Schwerpunkt Bronzezeit gelten wie für Museumspädagogen in einem Industriemuseum? So mancher befürchtet auch, dass Regeln zu sehr im Theoretischen verhaftet blieben. Einfach deshalb, weil die Praxis von großer Heterogenität geprägt ist.

Und tatsächlich hat sich bislang noch keine Institution gefunden, die Standards oder Ausbildungsrichtlinien für sämtliche Aspekte der Living History auf den Markt gebracht hätte. Auch wenn man schlicht den Bereich der Museen betrachtet – und darauf konzentriert sich Hochbruck ja vorerst – bleibt das Bild zersplittert: Da gibt es Organisationen wie EXAR und Exarc für die Arbeit in archäologischen Freilichtmuseen und die experimentelle Archäologie oder den Bundesverband der Museumspädagogik.

Standards gesucht

Living History boomt nach wie vor; von diesem Ansatz kann Hochbruck getrost ausgehen. Auch die Museen öffnen sich zunehmend den Möglichkeiten des Museumstheaters; also dem szenischen Spiel. „Die Zukunft der museumspädagogischen Aufbereitung gehört den performativen Formen“, meint der Professor. Entsprechend berechtigt sei auch nach wie vor die Frage, wie Museumsarbeit und Living History zueinander passen. Oder welche Rollen Reenactment und LARP übernehmen können.

Das szenische Spiel der kostümierten wie nicht-kostümierten Führung im Museum; das ist eben das Museumstheater. Mit Erläuterungen in der ersten oder dritten Person. Darunter fällt also vieles, was landläufig unter „Museumspädagogik“ verstanden wird. Hochbruck: „Bisher gibt es keine verbindlichen Qualitätsstandards für Museumstheater.“

Verbindliche Ausbildung

Nach der Bonner Tagung „Vermittlung von Vergangenheit“ fasste Hochbruck einen zentralen Ansatz so zusammen: Weil Museen nicht ausschließlich über eigenes Personal verfügen, das alle unter „Living History“ zu verstehenden Bereiche übernehmen kann, müsse es im Grunde verbindliche Qualitätsstandards geben, die von den extern Angeworbenen erfüllt werden. Das schließt didaktische Kenntnisse und authentische Ausrüstung gleichermaßen ein. Für den Professor ist dabei auch klar, dass solche Qualitäten auch „nicht für einen Kasten Bier und eine Bratwurst“ zu haben sind. Der Grad der Professionalisierung werde wohl zunehmen, glaubt er. (Allerdings ist auch die Honorierung von Akteuren für sich genommen schon eine unendliche Geschichte…)

Freilich können Qualitätsstandards ebenso gut auch auf Living-History-Events ausgeweitet werden, die außerhalb der Museen stattfinden. Teils, weil es ja auch dort um Vermittlungsarbeit mit dem Publikum geht – vor allem, wenn seitens der Veranstalter mit dem Label „authentisch“ geworben wird – und teils, weil dort die selben Akteure auflaufen, die sich um Aufträge in Museen bemühen. Das Stichwort vom „Gütesiegel Living History“ zirkuliert bereits seit einigen Jahren in der Szene.

Nach wie vor wirbt Hochbruck dafür, dass eine unabhängige Qualitätssicherheitsinstanz über das Aufstellen und Einhalten von Anforderungsprofilen wacht. Aus den Reihen der Aktiven und der Fachwissenschaft sowie aus Theater- und Museumslandschaft sollten sich Vertreter an einer solchen Geschichtsagentur beteiligen. Einen solchen Vorschlag hatte 2009 während der Tagung Staging the Past in Freiburg auch Mark Wallis gemacht. Er ist einer der zentralen Vertreter der englischen Living-History-Szene und bemängelt unter anderem das Fehlen einer Ausbildungseinrichtung für „costumed interpreters“.

Oder anders gesagt: Verbindliche Spielregeln für das „richtige“ Museumstheater könnten die Klammer sein, die viele Aspekte der Living History abdeckt. Ein Qualitätsmesser also, den Akteure jeglicher Couleur für sich nutzen können – auch wenn sie gar nicht überwiegend für Museen tätig sind. Ein wichtiger Schritt dürfte die Überzeugungsarbeit sein, dass gestandene Darsteller sich überhaupt für den Begriff „Museumstheater“ erwärmen.

Update 15. März 2011

Die Entwicklung beobachten wir natürlich weiter. Viele wichtige Hinweise sind bereits in den Kommentaren geleistet worden. chronico hat zudem bei Museen in Deutschland, Österreich und der Schweiz nachgefragt, wie sie die Thematik für sich bewerten. Bei Bedarf bauen wir diese ganz speziellen Sichtweisen hier in den Beitrag ein. Den Beginn macht heute das Schweizer Museum zur Erforschung der römischen Stadt Augusta Raurica. Das Statement spiegelt die Ansicht der Autorin Margit Scheiblecher wider:

Margit Scheiblecher, Leiterin Events Augusta Raurica

“Im Vermittlungsangebot von Augusta Raurica, das sind Ausstellungen, Workshops und Führungen, setzen wir Living History nicht ein. Wohl aber an den Jahresevents ‘Römerfest’ und ‘Internationaler Museumstag’. Die Römergruppen, welche bei uns auftreten, werden von uns geprüft; d.h. reine Fantasiedarstellungen, wie ich sie z.B. an Mittelalterfesten in Deutschland erlebt habe, sind bei uns in Augusta Raurica nicht möglich.

Wir unterstützen viele Gruppen mit wissenschaftlichen Publikationen, Hinweisen auf Originaltexte antiker Autoren und wichtigen Abbildungen auf Steindenkmälern, Mosaiken oder Wandmalereien, die für eine spezifischen Darstellung von größter Bedeutung sind.

In diesem Jahr führen wir das 16. Römerfest durch. Viele der historischen Darsteller waren von Anfang an dabei, viele sind neu dazu gekommen und wurden vor und während des Festes von Archäologen und Archäologinnen aus Augusta Raurica geprüft. Sie tragen also unser internes Gütesiegel. Neben dieser wissenschaftlichen Überprüfung ist es natürlich ebenso wichtig, dass diese ‘Zeitreisenden’, wie sie von Ihnen genannt werden, auch bei unserem Publikum gut ankommen und sich in den großen Kreis der historischen Darsteller harmonisch einfügen. Ich denke, viele Museen werden die Problematik mit dem Gütesiegel ähnlich sehen und regeln.

Möglicherweise profitieren private Veranstalter von zertifizierten Darstellern. Solche Veranstaltungen sind in der Regel aber auch unpersönlicher als von Museen getragene Events und sprechen wahrscheinlich auch nicht das gleiche Publikum an. Was mir persönlich immer wieder auffällt ist das Verhalten der ‘Zeitreisenden’ selbst: Sie ziehen in der Regel Museen als Eventveranstalter den privaten Veranstaltern vor. Daraus schließe ich, dass es für viele Römergruppen bereits ein Gütesiegel ist, wenn sie an einem Museumsevent mitmachen.”

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14 Kommentare

  1. Ich habe aufgegeben, die Versuche dieser Art zu zählen, sie haben schlicht keinen Zweck – seit ich in der Reenactment-Szene unterwegs bin, gibt es die Qualitätsdiskussion und die “Zertifizierung” derselben – bei einigen Versuchen war ich sogar selbst dabei. Eine weitere Tagung mehr oder weniger wird daran nichts ändern.

    Am Ende läuft es immer auf dasselbe hinaus: Sie zerlegt Gruppen und Gruppierungen, sie beendet Freundschaftenn verplempert unsagbar viel Geld und Zeit, und letztendlich müssen die Veranstalter auch im Museum ihre Darsteller-Reihen gefüllt bekommen, was dazu führt, daß sie doch wieder querbeet einsammeln, was da ist, weil es nichts kostet.

    Man braucht keinen bürokratischen Überbau, keinen “Führerschein” – und da spreche ich aus Erfahrung – man braucht Museen, die Wert auf diese Qualität legen und die Akteure entsprechend einladen, und gegebenenfalls bezahlen. Gibt es dieses Bewußtsein nicht, nützt auch der xte “A-Schein” nichts, weil wider besseren Wissens gehandelt wird, gibt es dieses Bewußtsein, braucht man solcherei Kram nicht.

    Die Museen machen beides bereits heute vor, ebenso wie die andere Seite – also die Akteure – es vormachen: Der überwiegende Teil weiß, ob er etwas auf einem Museumsevent zu suchen hat oder nicht und in welcher Position – am Ende eben womöglich nur als ungewandeter Besucher – es gibt wenig bis keine Gründe, die(se) Aktiven dann auch noch mit – finanziell und zeitlich belastenden – Bürokratiekrempel von Arbeiten an dem Thema, das uns allen so wichtig ist, abzuhalten und am Ende womöglich gar zu verhindern.

    26. Februar 2011, 01:02 Uhr • Melden?
    von Holger
    1
  2. Ich glaube, daß wir anfangen, uns im Kreise zu drehen. Meine Erfahrung nach den letzten einschlägigen Tagungen ist, daß das Thema Qualität der LH bei den Museen nicht angekommen ist. Halten wir uns vor Augen, daß LH ist nur einen ganz kleiner Teil bei der Vermittlungsaktivitäten ausmacht, und nicht etwa die eierlegende Wollmilchsau der Museumspädagogik ist. Die meisten Museen haben schließlich ganz andere Sorgen bei der chronischen Unterfinanzierung, und gerade in den kleinen Museen müssen von einem kleinen Stab alle Themen abgedeckt werden. Diese Museen sind schon froh, wenn sie eine Ausstellung gestemmt bekommen. Über Qualität der LH kann man erst sprechen, wenn die Museen selbst in der Lage sind, das Thema Qualität für sich zu definieren.

    Folglich ist in der vielgestaltigen Museumslandschaft absehbar kein Konsens zu erzielen; deshalb empfiehlt es sich, im Museum, bei Vereinen oder Profis die eigenen Qualitätskriterien zu diskutieren, festzulegen und zu versuchen, diese umzusetzen. Schließlich kommt es ja darauf an, daß die Akteure die bestmögliche Qualität bei den Veranstaltungen (mit den gegebenen finanziellen Rahmenbedingungen und Anforderungen) anbieten und die eigene Qualität ständig weiterentwickeln.

    Ich habe vor 1 ½ Jahren eine Prüfliste für Einzeldarsteller, Gruppen und Museen versuchsweise erstellt, die erst noch ihre Praxis- und Konsenstauglichkeit erweisen müßte. Selbst wenn man Qualität messen könnte (brauchen wir wirklich KPI = Key Performance Indicators?), so ist dies lange keine Anleitung zur Verbesserung derselben. Meine Einschätzung ist, daß sich erst in einigen Jahren ein Konsens aus der gelebten Praxis entwickeln wird.

    27. Februar 2011, 00:02 Uhr • Melden?
    von Martin Klöffler
    2
  3. Gedankenspiel:
    * Ob Gütesiegel/Zertifikat oder Fortbildungsinstanz – wer daran teilhaben will, müsste Zeit und Geld aufwenden. Das kann aus Sicht der Akteure ein erheblicher Kritikpunkt sein
    * Viele Akteure sind Hobbyisten, die aus eigenem Engagement ihre Ziele abstecken und sich für Vermittlungsarbeit präparieren. Werden sie Notwendigkeit oder Vorteile einsehen?
    * Was ist mit dem Gegenwert seitens Auftraggeber? Hier haben Holger und Martin Klöffler Wichtiges angesprochen: Viele Museen müssten zurückstecken; aus Budgetgründen
    * Käme es also zur Zweiteilung? Hie die zertifizierten; dort die “anderen” ?
    * Allerdings geht es doch letztendlich nicht wirklich um die Akteure, sondern um die Nutznießer der Arbeit – das Publikum. Oder?
    * womöglich sind langfristig gar nicht so sehr nur die Museen die Auftraggeber für LH. Noch ist der Markt der unabhängigen und hochwertigen LH-Events überschaubar. Aber was, wenn er weiter an Fahrt gewinnt und zahlenmäßig dem “Marktmittelalter” nahe kommt? Dann gäbe es womöglich doch mehr Bedarf an professionalisierten Akteuren.

    27. Februar 2011, 10:02 Uhr • Melden?
    von Marcel Schwarzenberger
    chronico
    3
  4. Ich bin ebenfalls der Meinung, dass Qualität in der Living-History nur dann generiert werden kann, wenn sie die Museen oder Veranstalter einfordern. Ich bin bisweilen bestürzt, wenn ich sehe, welches Verständnis von Qualität Kollegen von mir an den Tag legen. Was nützt es mir, wenn ich bei meiner eigenen Darstellung hohe Maßstäbe ansetze und dann im Nachbarmuseum ein kommerziell orientiertes Historienspektakel stattfindet? Wie soll das unbedarfte Publikum den Unterschied zwischen “gut” und “schlecht” erkennen, wenn es noch nicht einmal den Unterschied zwischen Mittelalter und früher Neuzeit kennt? Die ablehnende Haltung vieler renommierter Museen gegenüber der Living-History als Vermittlungsmethode ist vor diesem Hintergrund nur allzu verständlich. Welches Museum mit einer hervorragenden Sammlung und einer glänzenden wissenschaftlichen Reputation möchte sich schon mit einem Themenpark auf eine Stufe stellen? Ich werde aus diesem Grund nicht müde zu betonen, dass gerade in Bezug auf eine gute Darstellung weniger manchmal mehr ist.
    Massenveranstaltungen mit Multiperiodencharakter wie in Dorstadt haben sicherlich ihren Reiz, bergen jedoch immer die Gefahr, dass die Qualitätskontrolle nicht gewährleistet ist und qualitativ hervorragende Akteure in der “bunten Masse” untergehen. Ich halte es deshalb für sinnvoll, im musealen Bereich vorwiegend mit kleinen, überschaubaren Einheiten zu arbeiten, bei denen der Blick auf die Details gerichtet werden können und wichtige Inhalte nicht der Reizüberflutung zum Opfer fallen. Um für alle Seiten befriedigende Ergebnisse erzielen zu können, muss in den Museen das Bewusstsein dafür wachsen, dass gute LH-Programme nicht nur irgendeine Dienstleistung sind , die man bei Bedarf einkauft, sondern Veranstaltungen, die von hauseigenen Fachleuten in enger Zusammenarbeit mit den Akteuren entwickelt und auf die musealen Inhalte abgestimmt werden müssen. Vielfach scheitern Programme nicht an finanziellen Problemen, sondern schlicht und einfach an der Bequemlichkeit der Verantwortlichen, sich im Vorwege zu informieren und darum zu bemühen, gute Interpreten ausfindig zu machen. In diesem Zusammenhang wäre es meiner Meinung nach sinnvoll, bei den deutschen Museumsverbänden zumindest einen Ansprechpartner zu haben, der in grundsätzlichen Fragen der LH beraten kann. Letztendlich werden wir nicht darum herumkommen, Mängel bei LH-Veranstaltungen klar zu benennen. Nichts bringt eine Darstellung mehr voran als die Kritik an ihr.

    27. Februar 2011, 13:02 Uhr • Melden?
    von Nils Kagel
    4
  5. Moin!
    Schöne Gedanken, ein neuer Anlauf.
    Aber ehrlich gesagt, es interessiert mich nicht mehr wirklich. Ich mache LH oder LG, weil sie mir Freude bereitet. Ich möchte mit neuen Erkenntnissen der Arch. u. Geschichte meine Darstellung weiter entwickeln. Dabei möchte ich weder Stress, noch Belastung mehr erfahren. Deshalb mache ich nur noch Sachen, die etwas länger dauern, davon wenige und arbeite mit Institutionen und Personen zusammen, die mit mir und mit denen ich klarkomme, gut klarkomme. Und wenn ich eines Tages nur noch alleine am Fluss rumbastele, ist das auch egal. Denn wen interessiert es wirklich, was ich da eigentlich mache?

    Auf Museen, die mich ausnutzen, wie bereits geschehen, kann ich verzichten. Auf Landesausstellungen für die Masse, die mit einem “Spektakulum” gekoppelt werden, dito. Auch Museumspädagogen, für die unsere Qualität zu hoch ist (dabei finden wir sie selber noch zu niedrig) und die nach der Maxime arbeiten, “das paßt schon” und “ist doch eh alles Mittelalter”, können mir gestohlen bleiben.

    Wie oben schon gesagt worden ist: “Wie soll das unbedarfte Publikum den Unterschied zwischen “gut” und “schlecht” erkennen, wenn es noch nicht einmal den Unterschied zwischen Mittelalter und früher Neuzeit kennt? “
    Da kann man viel tun, auch im Kleinen. Und wenn es nur für sich selbst ist. Und da brauche ich keine Standards mit Segen der DFG. Mehr Grundlagenforschung zur Alltagsgeschichte statt “Glanz- und Gloria der Herrscher” würden mir mehr bringen. Ottonormalottone statt Otto I. um in unserer Sache zu reden!

    Mit großen Stoßseufzer,
    Torsten Kreutzfeldt

    28. Februar 2011, 08:02 Uhr • Melden?
  6. “Qualitätssicherheitsinstanz”
    Was für ein Monsterwort.
    Inzwischen bin ich der Meinung, dass die Szene(n) kreativ und stark genug ist sich selber zu verbessern. Wenn man ein paar Jahre dabei ist, sieht man schon viel was es früher nicht gab, aber schnell zum Standart wird. Ein Wasserkopf von Bürokratie hat es bis jetzt nicht gebraucht dazu.
    Und wer ein Siegel braucht.
    Der soll es halt mit machen.
    Wenn ein Siegel vernünftige „Weiterbildungen“ anbietet, würde ich sogar mitmachen.
    Ansonsten fühle ich mich nicht besonders angesprochen, bei der ganzen Thematik.

    28. Februar 2011, 13:02 Uhr • Melden?
    von Sascha
    6
  7. Ich finde den Diskurs sehr spannend und werde auch zu dieser Veranstaltung fahren. Ich frage ich aber immer ob das Pferd nicht vom falschen Ende aus aufgezäumt wird.
    Eine Prüfung oder gar Ausbildungsstandards für Akteure zu fordern scheint mir nicht realisierbar, da es nunmal ein Hobby ist. Die wenigen die das professionell machen fallen kaum ins Gewicht und stechen auch Qualitaiv nicht zwingend hervor.
    Ich würde es für wichtiger halten das die Museumsmitarbeiter in der Lage währen beurteilen zu können was ihnen angeboten wird und sich auch für das qualitativ bessere zu entscheiden. Diese Leute gehören ausgebildet und ihre Entscheidungsfindung zertifiziert.

    01. März 2011, 13:03 Uhr • Melden?
    von Andrej Pfeiffer-Perkuhn
    7
  8. Lansgam beschleicht mich das Gefühl, dass zum Einen irgendwo diskutiert wird, während zum Anderen engagierte Protagonisten Erfahrungen sammeln, Qualitätsstandards entwickeln und Veranstaltungen plazieren, die genau diese zu erwartenden Arbeitsergebnisse schon längst unter den Bedingungen der vorhandenen Möglichkeiten umsetzen!
    Ich sehe zwei Gruppen, diejenigen die das Thema entdeckt haben um ihr Profil zu entwickeln udn diejenigen die über Jahre an dem thema dran sind, indem sie Projekt um Projekt umsetzen!
    Soester Fehde, Minden1759, Tempus, Juni 1945 Gottersdorf, etc. etc. pp.!

    Es wäre mal schön zu sehen, das diejenigen, die sich gerade dieses Thema annehmen möchten auch diejenigen sidn die AKTIV und engagiert mitten im Thema sind, statt zu sehen wie es theoretisch und oft an den realitäten vorbei diskutiert wird.

    Ich bin gespannt..

    Der Freitag der 3.Juni ist auf Dorstadt für eben jenes interessierte Publikum auf der Grosseranstaltung reserviert! Wieviele derjenigen, die sich theoretisch dem Thema verschrieben haben, werden wohl die Möglichkeit nutzen, diejenigen zu treffen, die über Jahre Öffentlichkeitsarbeit mit den Mitteln der Visualsierung und Inszenierung von Geschichte praktizieren?

    Hier ist eine ganze region aufgebrochen ihre “ZeitOrte” zu Orten der Begegnung und des Erlebnisses zu machen. Tempus ist nur ein Projekt!

    Die Einladung steht, wie auch mein persönliche Einwendung zu diesem Thema:

    Ich möchte lieber eine Veranstaltung wie “Tempus-Zeit erleben” umsetzend arbeiten und diskutieren, als Wochenenden im theoretischen stecken zu bleiben.
    Udn das besteht nicht nur aus Qualitätsstandrds festzusetzen , sonderna uch daraus den Akteuren das Gefühl zugeben, sich im Publikumskontakt wohlzufühlen! Und dazu gehört es vor allem saubere Veranstaltungen zu planen, die dem Team vor Ort genauso viel Freude macht, wie den Akteuren und dem Publikum!
    Liebe Theoretiker:
    Hic Rhodos hic saltans!
    Lieber machen, als reden!

    03. März 2011, 13:03 Uhr • Melden?
    von C.Meiritz
    8
  9. Interessantes Thema, wie ich finde, jedoch sehe ich den Personenkreis eher nicht als geeignet an, eine solche Instanz zu etablieren. Die Offenheit für Kommunikation mit Personen aus verschiedenen Darstellungshobbies halte ich aber für positiv. Verbindliche Regeln werden sich vermutlich- aus bereits genannten Gründen- nie etablieren, andererseits halte ich eine Qualifizierung des eigentlich zur Berurteilung angehaltenen Personenkreises an Museen zwar für grundsätzlich wünschenswert, aber genauso utopisch wie eine verbindliche Vorgabe von Aussen.
    Realistisch erscheint mir allerdings eine Initiative für eine Empfehlungsbeurteilung der Arbeit solche, die eben das wünschen- egal ob Hobbyist oder kommerzieller Anbieter.

    Allerdings kann ich den Optimismus mancher nicht teilen, dass sich “die Szene” von selber verbessert, oder Qualitätsstandards etabliert würden. Der erwähnten Veranstaltungen, z.B. die Soester Fehde, sind trotz vieler positiver Merkmale beileibe kein Beispiel, wo durchgängig hohe Qualitätsmaßstäbe angesetzt wurden, sondern wo das beste aus Situation und vorhandenem gemacht wurde- was aber durchaus auch für das gesetzte Ziel ungenügsam hat sein können.
    Solange hier kein noch so geringer Anreiz oder Druck besteht, sich bei bzw. vor Präsentationen vor Publikum selber (vor allem das) zu prüfen, und ggfs. Dinge zu überarbeiten, wird eine Verbesserung im Gesamten wohl Centurien benötigen – im Einzelnen mag das anders sein.

    Oder um das abzukürzen: egal von wem, wo oder wie: darstellerischer Qualität bedarf schlicht mehr Prüfung, sofern sie vor Publikum benutzt wird.

    15. März 2011, 17:03 Uhr • Melden?
  10. Die Bemühungen sind löblich, verbrauchen aber doch einiges der Energie, die in faktische Qualitätsverbesserung gesteckt werden könnte. Geht nicht diese Zentralisierung immer einher mit Bürokratisierung? Als Leiter eines Freilandmuseums zu dessen Betriebskonzept LH maßgeblich gehört, ist es natürlich meine Verantwortung mit Wunschgruppen Kontakt aufzunehmen, diese anzuschauen, ihnen die Unterlagen zur Verbesserung zugänglich zu machen und in vielen Gesprächen meine Vorstellungen zu transportieren. Das ist neben der sonstigen Tätigkeit eine große und in die Freizeit hineinreichende Belastung aber letztlich der einzig gangbare Weg, wenn ich in “meinem” Museum gute Darsteller zeigen will. Diese sollen sich dann auch wohlfühlen und gern wiederkommen, anstatt sich ausgenutzt zu fühlen. So gesehen bin auch ich diesen Darstellern gegenüber in der Pflicht, ebenso dem Museumsbesucher, der einen möglichst korrekten Eindruck vermittelt bekommen soll. Ein Geben und Nehmen also. Abschließend muss ich zugeben: Auf ein Zertifikat würde ich ohne Anschauen der Gruppen ohnehin nichts geben und dann kann man es sich auch sparen.

    23. März 2011, 16:03 Uhr • Melden?
  11. Wieso sollte bei einer Tagung von nicht der Living History Szene angehörigen Personen, oder durch die Teilnahme solcher an dieser Energie verloren gehen? Und wieso sollte die Qualitätsentwicklung darunter leiden? Und wo ist hier Zentralisierung in irgend einer Form zu sehen? Die Living History Szene, so man sie als eine gemeinsame überhaupt bezeichnen kann, und anhängige waren und werden wohl immer sehr zerfasert sein, eine Zentralisierung in irgendeiner Form von Hobbyisten ist, egal ob welchen Vorgehens, wohl kaum zu erwarten. Viel mehr bestünde in der Idee die Chance eines zentralen Leidfadens gerade für Personen wie Sie, Herr Wolters. Ihr Vorgehen ist natürlich löblich, allerdings ist das eben kein Usus. Wenn Sie sich bei ihren Kollegen mal umsehen, werden sie feststellen, dass oft genug schlicht die EIgnung fehlt, die Qualität von LH Gruppen hinreichens zu beurteilen. Hier könnte eben ein zentraler Leitfaden- von einem Zertfikat ist ja ohnehin bislang nur in Teufelsbildern an der Wand die Rede- eben helfen. Zumal ja zu dem Qualitätsbegriff jenseits darstellerischer Komponenten auch die Vermittlung gehört, und Konzepte hierzu sind schon in gewissen Rahmen prüfbar.
    Im Grunde wabert derzeit nur so eine Idee im Raum herum, konkrete, noch dazu schlüssige Ansätze fehlen. Das kann man kritisieren, aber die Notwendigkeit eines vermittelnden Faktors zwischen Museumslandschaft und LH zu leugnen ist meiner Ansicht nach auch der falsche Weg.

    29. März 2011, 12:03 Uhr • Melden?
  12. Noch nicht einmal eine Handvoll von Museen verfügt nach meiner Einschätzung über das notwendige Know-How, um die Qualität von Living History Darstellungen richtig zu beurteilen, und wir sind wegen des fehlenden Interesses ziemlich weit weg von einer irgendwie gearteten Einigung über ein Qualitätssiegel.

    Daher sind Vereine oder Veranstalter jeder Art selbst gefragt, die eigenen Qualitätsstandards zu definieren und durchzusetzen. Ich habe im Freilichtmuseum Vogtsbauernhof / Gutach einen Ansatz über Check-Listen vorgestellt (Link führt zu PDF; Anmerk. d. Red.), von denen ich natürlich sehr gut weiß, daß sie nur Teilaspekte abdecken. Um mit Checklisten zu arbeiten, braucht man auch schon einiges know-how, und sie können immer nur einen Ist-Zustand feststellen.

    Immerhin ist hier deutlich abzulesen, daß eine gute Qualität mit der materiellen Ausrüstung der Darsteller beginnt, aber noch lange nicht aufhört.

    Die vorgestellten Punkte sind hier nur ausschnittsweise auf den Charts wiedergegeben (die eigentlichen Listen haben etwa den 5-fachen Umfang). Die Auswertung belohnt diejenigen, die mit der Qualität ziemlich breit aufgestellt sind.
    Als Bezugspunkt dient zwar die zivilhistorische Darstellung ca. 1700-1900, aber weitere Checklisten zum Verein, Veranstaltung und Museen sind hoffentlich auch auf andere Epochen übertragbar.

    31. März 2011, 23:03 Uhr • Melden?
  13. Moin!

    Zitat: “Immerhin ist hier deutlich abzulesen, daß eine gute Qualität mit der materiellen Ausrüstung der Darsteller beginnt, aber noch lange nicht aufhört.”

    Das ist sehr richtig! Wie ist LH zu vermitteln, wie bindet man sie richtig ein ? Macht man eine “sensationelle Veranstaltung” oder lädt man Darsteller ständig in die Ausstellung ein? Oder macht man beides? Oder findet man, dass das “Kinderkacke” ist und lässt die Darsteller ganz weg. So viele Museen, so viele Meinungen! Und wird man unruhig, wenn die Darsteller im eigenen Bereich zu ganz anderen Ergebnissen gekommen sind?

    Wenn ich darüber mal nachdenke, finde ich die Vielfalt eigentlich ganz schön. Warum immer vereinheitlichen? Deswegen kann auch geforscht werden, allerdings kann man sich kaum Hoffnungen machen, dass die Ergebnisse eines Tages umgesetzt werden. Das ist ein ganz langer Prozess…

    01. April 2011, 08:04 Uhr • Melden?
  14. @Martin Klöffler
    Vielen Dank für den Link zum Qualitätskonzept (siehe Kommentar 12).

    Weitere Einschätzungen sowie Kommentare zu den Workshops und Vorträgen in Gutach nehmen wir einstweilen gern hier mit auf.

    01. April 2011, 08:04 Uhr • Melden?
    von Marcel Schwarzenberger
    chronico
    14

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